27. März 2012 Heute Abend eröffnen wir das 2012er April-Festival von kunst
ost: [link] Eine
kleine Ereigniskette, welcher vorigen Sonntag schon eine Ausfahrt vorausgegangen ist. Es
könnte ein alter Straßenbahn-Triebwagen sein. Soweit ich mich erinnere, war die Bauart
ähnlich, auch der Führerstand mit seinen Bedinungselementen, aber die Straßenbahnen
sind vergleichsweise schlanker. Das ist demnach ein Eisenbahntriebwagen, in dem mich
Fotograph Christian Strassegger hier festgehalten hat.
Das Fahrzeug ist Baujahr 1931, noch heute zwischen Feldbach
und Bad Gleichenberg im Alltagseinsatz. Wir waren auf dem Weg zur Kulturinitiative "Kopfbahnhof",
von Künstlerin Kathi Velik im vormaligen Bahnhof von Bad Gleichenberg eingerichtet.
Dort wird unser April-Festival am 5. Mai enden: [link] Wir hatten auf
unserem Weg also ein historisches Fahrerlebnis. Es fehlen heute weitgehend Vorstellungen,
welcher radikale Mobilitätsgewinn in der Verfügbarkeit solcher Schienenfahrzeuge lag.
Fahrräder waren, wie Winfried Lehmann (Foto) erzählte, zu jener Zeit eine Anschaffung,
für die eine ganze Familie sparte. Automobile begannen erst nach dem Zweiten
Weltkrieg für breitere Bevölkerungskreise erschwinglich zu werden.
Lehmann ist Jahrgang 1934. Das ist ein bemerkenswertes
Jahr, weil man daran den Beginn einer neuen Ära festmachen kann. In diesem Jahr wurde der
Burlington Pioneer Zephyr in Dienst gestellt, Amerikas erster Stromlinien-Zug
im Personalverkehr. Außerdem markierte dieser Zug den Beginn der Diesel-Ära auf
Schienen. (Eine Konsequenz der Erfahrungen mit Diesel-Schiffsmotoren im Ersten Weltkrieg.)
(Graphik: Randy
Gordon-Gilmore)
Es ist auch das Jahr, in dem Chrysler den Air Flow
herausbrachte, das erste Serienautomobil mit Stromlinien-Karosserie. Ich hab auf
der Site von kunst ost schon skizziert, was diese Entwicklung nach sich gezogen
hat: "Die
erste Fahrt"
Die visuelle Inszenierung von Geschwindigkeit, die
Einführung eines Beschleunigungskultes, indem Funktionen zugunsten der Erscheinung
verborgen werden. Es ist auch die Zeit, in der Industriedesign eine Bedeutung
gewinnt, die uns gar nicht mehr bewußt vor Augen steht.
Die Tyrannis hat diese Möglichkeiten zu nutzen gewußt.
1933 war Adolf Hitler zum deutschen Reichskanzler ernannt worden. In den darauf folgenden
Jahren sollten die Nazi auf eine verblüffende Art die "Modernisierung"
inszenieren, indem sie zugleich mit Kategorien des Mittelalters spielten.
1934 ist dann auch das Jahr, in dem Mercedes-Benz begann,
mit den "Silberpfeilen" Rennsportgeschichte zu schreiben. Da begann ein
"Mythos ex machnina" (Uwe Day), mit dem die Nazi eine
"vorgetäuschte Modernisierung" in Gang setzten, die unzählige Millionen das
Seelenheil und das Leben gekostet hat. Der Autorennsport, in dem Ferdinand Porsche seine
enormen Talente ohne Scheu vor großer Nähe zu Hitler entfaltete, wurde zu einem der
Zentralereignisse einer ganz neuen Massenkultur.
Diese Zeit der technischen und kulturellen Umbrüche hat
unsere Gegenwart in einer Tiefe geprägt, die uns heute in eben jener (oben erwähnten)
Inszenierung von Beschleunigung irritierende Zustände beschert.
Die Stromlinie symbolisiert jene Prozesse
gewissermaßen. Das bearbeite ich auch in der Themenleiste "Die Gefolgschaft des
Ikarus" [link]
Dem wird eine unserer Stationen im April-Festival gewidmet sein: "Gehen,
reiten, fahren" (Fahrzeug & Fetisch) [link] |