23. März 2012 Im Eintrag vom 21. Februar
habe ich etwas polemisch notiert: Der Faschismus kam auf dem Fahrrad daher. Und er
nahm sich schnell alles, was an Kraftfahrzeugen verfügbar war. Adolf Hitler hätte
sich aufgrund seiner Herkunft und seiner zivilen Berufsambitionen wohl selbst nach dem
Zweiten Weltkrieg noch kein Auto leisten können.
In seiner unmittelbaren Gefolgschaft waren gut situierte
Leute, wie das vormalige Flieger-As Hermann Göring, die Ausnahme. Heß ein
Schuhmachersohn, Goebbels der Sohn eines Laufburschen, der es immerhin zum Prokuristen
einer Docht-Fabrik brachte, Bormann der Sohn eines Postbeamten, Himmler der Sohn eines
Oberstudiendirektors, Heydrich der Sohn eines Opernsängers etc. etc. Ursprünglich keine
Leute, die sich Automobile kaufen konnten.
Das Waffenrad von Steyr, später
auch Puch, war kein
Kriegs-, sondern ein Friedensprodukt
Da wurde also in jungen Jahren gewiß viel mit dem Fahrrad
gefahren. In "Ökonomie der Zerstörung" stellt Adam Tooze fest: Gemessen
am durchschnittlichen Familieneinkommen waren Autos einfach zu teuer.
Das bezieht er auf die Zeit, in der Österreich heim
ins Reich geführt wurde: Das Institut für Konjunkturforschung fand 1938
in einer umfassenden Studie heraus, dass sich die Anschaffungs- und Unterhaltskosten eines
Pkws bei 10.000 Kilometern Fahrleistung jährlich auf mindestens 67,65 Reichsmark
monatlich beliefen. Macht rund 800,- RM pro Jahr.
Tooze nennt für eine vierköpfige Arbeiterfamilie ein
durchschnittliches Jahreseinkommen von 2.300 Reichsmark. Benzin war übrigens maßlos
teuer. Hinzu kam, daß Automobile, was den laufenden Betrieb anging, damals noch mit
vergleichsweise kurzlebigen Aggregaten ausgestattet waren.
Ich wuchs mit der Faustregel auf, daß ein Motor 300.000
Kilometer halten sollte. Ende der 1940er-Jahre war man bei Volkswagen mit einem
Drittel dieser Leistung höchst zufrieden: "Serienfahrzeuge, die 100.000 km mit
ein und demselben Motor machen -- das ist unser Rekord!" (Quelle: Spiegel vom
25.05.1950)
Der VW Typ 60 Prototyp V3 (Foto:
Ralf Roletschek)
Hitler galt als Autonarr und etliche seiner Paladine sahen
sich als "Massenmotorisierer". Doch sie alle scheiterten in Fragen des
Automobilismus fürs Volk vor allem an den horrenden Kosten, welche in den 1930er- und
1940er-Jahren nicht aufzubringen waren, um eine zivile Serienproduktion mit ausreichenden
Stückzahlen in Gang zu bringen. (Die Umstellung auf Fließbandproduktion war für manch
einen erfolgreichen Automobilproduzenten der frühen Jahrzehnte eine zu hohe
Kosten-Hürde.)
Steyr Typ 50 auf dem Cover der
Österreichischen Tourenzeitung
Hitlers Wunsch, ein Automobil zum Preis von etwa tausend
Reichsmark anbieten zu können, blieb bis zu seinem Untergang völlig unrealistisch. Dazu
kam, daß Porsches Konstruktion eines entsprechenden Fahrzeuges (der VW Typ 1) nicht
gerade auf minimale Kosten ausgelegt war. Der "KdF-Wagen", den wir alle
als VW Käfer bis heute auf unseren Straßen finden, blieb zu teuer. Das teilte er mit
einigen anderen Fahrzeugen, die zu ihrer Zeit als "Volkswagen" gedacht und in
der Fachpresse als solche behandelt waren.
Der Austo-Daimler "Sascha" (1922), eine
Porsche-Konstruktion, später der Steyr Typ 50 "Baby" (1936) von Karl
Jenschke, blieben im Preis zu hoch und hatten keine ausreichende Käuferschicht, die man
hätte umwerben können.
Dabei spielte eine wesentliche Rolle, daß nach dem Ersten
Weltkrieg zwar Teile des alten Adels noch Geld hatten, da Grundbesitz und
Industriebeteiligungen nicht gänzlich dahin waren, aber das Bürgertum, dessen Geld zu
einem großen Teil in Kriegsanleihen gesteckt hatte, war seine Mittel los und entfiel als
potentielle Kundschaft.
Österreichische Tourenzeitung,
April 1938
Deutschland und Österreich hatten nach 1919 erhebliche
Reparationsleistungen zu erbringen. Es fehlte an Rohstoffen und Investionsmöglichkeiten.
Die Straßennetze waren bis in die Nazi-Ära alles andere als für den Autoverkehr
geeignet. Die meisten Fahrbahnen trugen noch Furhwerke, für Massengüter dominierte die
Eisenbahn gegenüber den LKWs.
In jenen Tagen war außerdem nur ein Bruchteil der
Automobile in Privatbesitz. Laut Tooze besaß 1933 nur jeder 37. Haushalt des Deutschen
Reiches ein Auto. Er präzisiert: "Tatsächlich war nur eine verschwindend
geringe Anzahl von Pkws überhaupt auf Privatpersonen zugelassen. Die überwältigende
Mehrheit aller Autos auf den Straßen von Hitlers Reich waren Firmen- oder
Behördenwagen." Das hat sich bis zum Ende des Verbrecherregimes nicht
geändert.
[Die Gefolgschaft des Ikarus] |