27. Februar 2012

Stereotypenwirtschaft hilft uns in der Bearbeitung von schwierigen Situationen überhaupt nicht. Was den derzeitigen Status quo öffentlicher Diskurse über Kulturpolitik angeht, habe ich hier schon allerhand Notizen hinterlassen. Nichts dominiert die aktuellen Debatten so sehr wie die Klage über einen Mangel an Wertschätzung.

Das heißt, Kunstschaffende schildern viele Arten der Geringschätzung ihrer Arbeit und Werke, die sich teils in der Marktsituation ausdrücke, teils in unseren gesetzlichen Rahmenbedingungen, teils in Fragen der Sachkenntnis bei Leuten aus Politik und Verwaltung.

Ich habe bei anderer Gelegenheit schon festgestellt, daß dieses häufig kursierende "Wir" ein Phantasma sei. Dieses "Wir" läßt sich unter Kunstschaffenden weder auf geselliger Ebene finden, noch ersteht es aus einem Ensemble realistischer Berufsbilder, die einer mehr oder weniger interessierten Öffentlichkeit vertraut wären.

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Schrettle live im "Schaumbad"

Johannes Schrettle nannte das in einer kleinen Korrespondenz "vielfältige lebensmodelle". Das trifft es ja sehr genau. Kunstschaffende realisieren vielfältige Lebensmodelle in sehr unterschiedlichen Berufsbildern, was nicht NUR an den sehr unterschiedlichen Kunst-Genres liegt, von denen jemand in einem oder mehreren zuhause ist.

Was also in diesem Zusammenhang unter anderem Gegenstand der Kulturpolitik sei, erweist sich als sehr komplexes Berufsfeld. Das ist ja die gute Nachricht, denn ich möchte es für einen großen Vorteil halten, daß ein Metier von Antwortvielfalt geprägt ist und sich schon seinem Wesen nach jeder Glättung, Verkürzung, Vereinheitlichung entzieht.

Gerade WEIL auf dem Kunstfeld auch das Widersprüchliche großes Gewicht hat und "Wahrheiten" nicht daherkommen, indem man Widersprüche eliminiert, gerade WEIL wir über INHALTE und BEDINGUNGEN unsere Profession stets in Diskussion bleiben müssen, repräsentiert dieses Metier einen sehr speziellen Aufgabenbereich menschlicher Gemeinschaften.

Aus eben diesen Erfahrungen, die ja nicht erst gestern greifbar wurden, aus einer Reihe von Prozessen, die gut dokumentierte Vorläufe haben, läßt sich das Kunstfeld als ein spezielles Metier darstellen und vertreten, in dem höchst verschiedene Genres und Konzepte zur Geltung kommen, in Wechselwirkung stehen.

Wo wir nun (ein "Wir" mit Vorbehalten) die Bedingungen und Reglements dieses Metiers zu adaptieren haben und wo genau das mit Leuten aus Politik und Verwaltung verhandelt werden muß, nützt natürlich die Kenntnis einschlägiger Studien, die nicht nur Fakten liefern, sondern auch den Stand des Diskurses skizzieren. Einige davon hab ich hier gelistet: [link]

Es wäre aber nützlich, wenn wir Künstlerinnen und Künstler uns darauf stützen könnten, daß wenigstens einige Teile der Bevölkerung eine halbwegs realistische Vorstellung haben, a) daß Künstlerin/Künstler ein Beruf ist und b) wovon diese Profession handelt. Es würde uns bei der aktuellen Klärungsarbeit ja schon viel helfen, wenn wir uns nicht allemal erneut durch eine Halde von Klischees, Ressentiments und Aversionen ackern müßten, um endlich zur Sache kommen zu können.

Mir läge außerdem an etwas mehr Trennschärfe in den Debatten, was nun Fragen der Kunst seien und was soziale Fragen; genauer: Was sind Kategorien der Kunst und was soziale Kategorien, wenn wir über die aktuelle Lage von Kunstschaffenden reden?

Zu den soziale Kategorien gehört die Tatsache, daß ich als freischaffender Künstler, also ohne Anstellung und auch ohne längerfristigen Werkvertrag, ein Selbstständiger bin, genauer, daß ich zu den EPU zähle. Das sind "Einpersonenunternehmen". Die machen rund 60 Prozent österreichischer Betriebe aus. So erklärte es mir kürzlich Kurt Winter, der hiesige Wirtschaftskammer-Boss.

Wir überraschend, daß ich nun in manchen Gesprächen eine ganz unterschiedliche Situation vorfinde, wenn ich als Kleinunternehmer mit Kollegen rede, die zugleich geneigt wären, "so einen Künstler" keinen Satz lang ernst zu nehmen, weil sie keine Ahnung haben, was der Begriff "Künstler" meint.

Ich wünsche mit diesbezüglich zweierlei, mit meinen Kompetenzen als Freiberufler ernst genommen zu werden und als Professional der Profession "Künstler" wahrgenommen zu werden.

So weit ich sehe, ist das nicht selbstverständlich, also werden wir uns darum scheren müssen, daß es sich bessert. Es scheint vorerst noch nicht einmal unter den Kunstschaffenden selbst ausreichende Klarheit darüber zu bestehen, daß die Sache Handlungsbedarf aufwirft.

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Ich bin auf Facebook mit rund 330 Menschen verbunden, etliche davon Kunstschaffende. Ferner sind bei den "Amici delle SVA" [link] über 3.300 Menschen präsent. Bisher hat auf meine einschlägigen Fragen nach dem sozialen Status unter den Kunstschaffenbden NUR der oben erwähnte Johannes Schrettle reagiert.

Es sieht so aus, als würden sich Kunstschaffende der Steiermark zu diesen Dingen eher nicht äußern wollen.

Eine IG Kultur Steiermark hat dazu offenkundig nichts zu sagen, kolportiert wenigstens Wiener Themenpapiere. Die Künstler*innenhaus- Community auch nicht, da herrscht anscheinend pure Ratlosigkeit. KIG! schweigt sich aus, obwohl da sehr viele Grazer Kunst- und Kulturschaffende versammelt sind. Die "alten Verbände" aus dem Künstlerhaus beschränken sich auf Befindlichkeitsprosa, welche kulturpolitisch einfach nicht verwertbar ist etc.

Ich weiß, ich wiederhole mich. Aber ich frage mich heute, wie sachlich fundiert und vom Metier her legitimiert diverse Aufrufe und polemischen Postwurfsendungen sein mögen, die gelegentlich im Geschehen auftauchen.

Ich sähe also gerne in Ergänzung des sporadischen Aktionismus so etwas wir wachsende Arbeit an unserer Berufssituation in eben der Vielfalt, die dieser Beruf zeigt. Dazu muß wohl auch reflektiert werden, was unser Metier zur Zeit an Behauptungen über die Branche verlautbart. Da hat nämlich so einiges fad Zeug zu genau der Legendenbildung, die uns etliche Wege blockiert.

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