14. Februar 2012

Meine Biographie ist von einem Selbstverständnis der Motorisiertheit geprägt. Meine Teenagertage in den 1970ern waren von keiner kritischen Debatte belastet. Ökologische Fragen erchöpften sich im Bewältigen eines Ölpreis-Schocks. Daß ich mit anderen, daß wir also auf diesem Weg auch eine soziale Aufstiegsgeschichte zelebriert haben, kam seinerzeit in unseren Überlegungen nie vor.

Meine ersten Autos waren eindeutig stattlicher als meine ersten Wohnungen. Damals ist, was das Wohnen anging, der Begriff "Substandard" noch gängig gewesen. Das häte ich im automobilen Auftritt nicht haben wollen. (Diesbezügliche Achtlosigkeit kehrte erst später ein.) Ich erinnere mich noch genau, wie sehr es einer Inauguration gleichkam, sein eigenes Auto zu fahren.

Damit waren in meiner Berufschulzeit nur wenige Burschen hervorgehoben. Auch später, während meines Präsenzdienstes, ist das eigene Automobil keineswegs Standard gewesen. Aber es war Standard, darauf hinzusteuern.

Dreiradler, Tretroller, Fahrrad. So sah in jenen Tagen die übliche Mobilitätskarriere aus, bevor die Motorisierung einsetzte, was in den frühen Siebzigern "Moped" bedeutete. Davor lag diese eigentümliche Entwicklung individueller Mobilität. Das Fahrrad hatte es in einigen Jahrzehnten vom Luxusgut zum Massenartikel gebracht.

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[KOMPLETTE ANSICHT]

>>Lieber Martin, zu Deinem Thema Mobilität im Anhang ein Wandteller, den ich von meinem Urgroßvater geerbt habe, datiert vermutlich um 1890.<<

Diese Post erhielt ich von Physikerin Ilse Tweer aus dem "verschneiten, tiefgefrorenen Norden" Deutschlands. Der Fahrer eines Hochrades hat Bruch gemacht. Offenbar ist er selbst glimpflich davongekommen. Keine Selbstverständlichkeit. Die Straßen waren damals noch keineswegs für solche Vehikel geeignet.

Wer an einem Hindernis über den Lenker abgesattelt hat, wer also einen "Header" bzw. "Highsider" absolvierte, hatte allerbeste Chancen, sich Handgelenke oder Unterarme zu brechen. Kopfverletzungen mit Todesfolge waren keinesfalls selten.

Historische Hochräder haben keine Bremsen. Sie können bloß über die fixe Tretkurbel an der Vorderachse etwas verlangsamt werden. Sammler Max Reder [link], versierter Hochradfahrer, betont, daß man in der Ebene erhebliches Tempo macht. Der große Radius des Vorderrades legt eine Umdrehung auf wesentlich weitere Distanz um als jene heutiger "Niederräder".

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FOTO: ARCHIV MAX REDER (REDER RECHTS AUF DEM BILD)

Hochräder waren damals und sind heute teure Vehikel, egal, ob man ein historisches Fahrzeug sucht oder ein neues [link] ordert. Der steirische Fabrikant Johann Puch [link] hatte sich mit diesem Fahrzeugtyp eine Weile befaßt und sehr schnell den Schluß gezogen, die Hochräder seien zu gefährlich.

Was heute zu unserem Alltag gehört, ist der Typ des "Niederrades" bzw. "Sicherheitsrades". Diese Sprachregelung hat also ihren Referenzpunkt in seinen noblen Vorläufern, die zu fahren nicht nur erhebliche körperliche Fitness verlangt, sondern auch ein Stück jener Verwegenheit, wie sie sich in den Posen ausdrückt, die man auch auf Fotografien jener Zeit findet. Siehe dazu: "radlmax" [link]

[Die Gefolgschaft des Ikarus]

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