11. Jänner 2012 Seit Tagen
geht mir eine Textpassage nicht aus dem Sinn:
"Someone send a runner
Through the weather that I'm under
For the feeling that I lost today"
An Lyrik ist mir so wichtig, daß sie mir oft etwas
mitteilt, was ich rational überhaupt nicht kapiere. (Die genannte Passage ist ein Zitat
aus "England" von "The National".)
Danke NASA! Danke "Krone"! Ich hab mir
schon solche Sorgen gemacht. Aber wenn der Planet nun doch nicht zerstört wird, kann ich
mir noch was vornehmen. Zum Beispiel: Mehr Wein, wie ihn Gottfried Lamprecht macht.
Ich hab da eben einen Wein getrunken, dessen Geschmack mich
an keinen anderen erinnerte. Das bedeutet gewissermaßen: Erde kosten. Lamprecht meint,
der Wein solle nur zeigen, was Grund und Boden da draußen können. (Naja, und wohl auch
ein wenig, was der Winzer kann.)
Zeit! Ein Rebstock braucht 15 bis 20 Jahre, um
"Tiefe" liefern zu können. Und wenn Lamprecht neues Terrain gewinnt, muß er
erst herausfinden, welche Weinsorte sich auf eben diesem Boden bewährt. In all dem gibt
es keine schnellen Ergebnisse. Nie.
Zeit. Ich erlebe das ja auch im Kulturbereich. Da hab ich
gelegentlich Leute am Hals, die meinen allen Ernstes, wenn man in einen Sektor etwas Geld
schaufelt, wird man nach fünf, sechs Monaten mit Ergebnissen renommieren können. Man
sollte solche Schnösel einem Weinbauern als Dienstboten verpflichten, damit sie irgendwie
doch noch ein Gefühl bekommen, daß kaum etwas von Substanz schnell geht.
Gut, wir haben gelegentlich auch Themen und Nischen, die
dem Tempo gewidmet sind. Horst Fickel ist einer unserer KWW-Bezugspunkte. Ich liebe jene seiner Geschichten, die mir
eigentlich zum Fürchten sind. Fickel fährt Regatten, wozu etwa gehört, daß einmal sein
Steuermann zögerte, einem Kommando zu folgen.
Dadurch bohrte sich seine Yacht in den Rumpf einer anderen.
"Wäre ich mit einem Aluminium-Boot unterwegs gewesen, hätte ich sie
durchgeschnitten." Nicht lustig. Aber amüsant, wenn man bloß Zuhörer ist.
Oder daß man auf hoher See von einem Wal gerammt werden kann. Dadurch zersplittern
Karbonboote, saufen also recht schnell ab, denn da trifft einen der Gegenwert von einem
Güterzug.
Man hat in kälterem Gewässer eigentlich nur recht wenige
Minuten, bis einen eben diese Kälte tötet. Aber schaff einmal mit dem Stress und der
vollgesoffenen Montur, über die dünne Strickleiter in eine Rettungsinsel zu kommen;
falls überhaupt eine da ist.
Mich fesseln solche Geschichten, denn ich bin selbst den
Schrecken nie losgeworden, aber auch nicht so ein merkwürdiges Sehnen nach diesen
Rändern. Was einen mit Wucht aufreißt, durchdringt, was einen auf solche Art in der Welt
ver-rückt, das verebbt offenbar nicht mehr. Und es scheint so zu sein, daß es einem
mitunter die Welt in die Lauen und in die Radikalen trennt. (Von den Idioten, die ein
eigenes Genre abgeben, braucht hier nicht weiter die Rede sein.)
Ich ahne heute, das Radikale liegt im ZURÜCKKOMMEN. Die
Überwältigung nimmt man hin, weil es keine andere Option zuläßt. Das Zurückkommen
beginnt man ab irgend einem Punkt selbst zu gestalten. Und sei es nur, daß man beginnt,
ein Augenlid zu heben. Und sei es nur, daß man ein erstes Mals wieder tiefer Atem holt.
Der Schrecken ist nichts, was man hinter sich lassen kann,
sonder etwas, das durchquert werden muß. Darum dauert es auch für viele so lange. Genau
das, dieses Durchqueren, kann seinerseits zu einem neuen Schecken werden. Es ist also
etwas kompliziert. Damit bin ich wieder beim Thema Zeit... |