28. Dezember 2011

Komisches Gefühl, unten auf der Seite die Wochenkennung 52 einzutragen. Ich empfinde Erleichterung, daß dieses Jahr endet, denn es war so anstrengend wie wenige zuvor. Im Kultur- und im Sozialbereich sind fundamentale Verschiebungen zu erleben gewesen. Die Kommunalen Schockreaktionen auf Ausläufer der Krisen in den letzten Jahren haben offenkundig gemacht, wie schwach der Kultursektor aufgestellt ist.

Aber das sind für gewöhnlich anregende Momente, wenn man von einer Krisis aufgeweckt oder wenigstens aufgemuntert wird. Ich bin davon allerdings nun einmal in tiefen Schlaf gehauen worden. Elf Stunden Maximum in Tagen der Entspannung, dieses Teenagermaß bekomme ich unter normalen Umständen niemals hin.

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In den Weihnachtstagen meines Lebens hat sich etwas herauskristallisiert, an dem ich sehr hänge. Eine Tendenz, sehr tief in anregende Bücher zu fallen. Diesmal ist es eines des Kulturphilosophen Richard Sennett geworden. (Hvala ti, Miko!) Er entfaltet seinen Text über das Handwerk zwischen zwei menschlichen Neigungen, zwischen unserer Tendenz zur Selbstzerstörung und unserem Wunsch, eine Arbeit um ihrer selbst Willen gut zu machen.

Es ist gerade für Kulturschaffende eine interessante Annahme, dies seien beides fast natürliche Aspekte der conditio humana. Im Sinn von: Das gibt es eben, das ist so. Folglich läge ein enormer Anreiz darin, die eine, die zerstörerische Seite, zu zähmen, um der anderen, der schaffenden Seite, Dominanz zu sichern.

Das würde auch empfehlen, diese beiden Seiten nicht als wechselseitige Feinde zu begreifen, sondern als zwei Seiten der gleichen Medaille.

In einem der ersten Kapitel dieses Buches schreibt Sennett, indem er Priester und Krieger vergleicht: "Religion und Krieg werden beide durch Rituale organisiert, und ich betrachte Rituale als eine Art Handwerk." Das ist eine für Kulturschaffende sehr inspirierende Überlegung.

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Hingabe. Der Wunsch, eine Sache um ihrer selbst willen gut zu machen. Ausdauer. Als Gegenposition zu Selbstzerstörungstendenzen. Das ist zugleich ein verblüffend klares Sinnkonzept. Das ist ein kulturelles Programm, wie es knapper und plausibler kaum verfaßt sein könnte.

Sennett macht solche Überlegungen aus einer Handwerkstradition heraus nachvollziehbar und führt diese in die Renaissance, während der sich in einem heutigen Sinn Künstler von Handwerkern zu trennen begannen. Er nennt in diesem Zusammenhang als markante Person Benvenuto Cellini, dessen Saliera [link] Sennett als Beispiel dient, wie ein Artefakt zum Kunstwerk wurde.

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Das ist jenes Salzfaß (Foto: Jerzy Strzelecki), welches sich ein etwas großspuriger österreichischer Museumsdirektor von einem Amateur hatte klauen lassen. Zurück zur Gegenwart. Was trennt also Kunstschaffende von Handwerkern? Aber auch umgekehrt, was verbindet uns? Und worin sitzen wir als Kulturschaffende eventuell im selben Boot? Das sind Fragen, ohne deren Klärung momentan meines Erachtens auch kulturpolitisch nicht voranzukommen ist.

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