19. November 2011
Sensationell! Nicht im Traum hätte ich auf so eine
bemerkenswerte Schreibweise der "Enfeylung" des Tages kommen können. Ich habe
es seinerzeit an meinem Sohn geliebt, daß er, wie es kleine Kinder tun, phonetische
Deutungen von Gehörtem vorlegte, die mich manchmal ins Grübeln brachten und meistens
vergnügten.
Jede kodifizierte "Hochsprache" ist ja nichts
anderes, als eine generell abgesegnete Version genau solcher Schöpfungen. Die
verläßliche Anwendung von Codes hat natürlich auch seine Vorteile, macht zügige
Alltagsbewältigung überhaupt erst möglich. Aber wer weiß, ob das nicht zugleich eine
Art der Effizienzsteigerung ist, die uns dann auch ins Schleudern bringt. Denn wo und
wodurch endet das Beschleunigen verläßlich?
Verläßliche Codes. Ich hatte vorgestern die Autobatterie
in die Küche gewuchtet, um dem Ding eine frische Ladung zu verpassen, weil wir gestern
eine sehr schöne Session
in Schloß Hainfeld hatten, für die ich sicherstellen wollte, daß die recht wenig
benutzte Karre in der frischen Kälte auch anspringt.
Bei der Gelegenheit zog ich auch den Ölmeßstab und war
alarmiert. Motoren verlieren nicht bloß Öl, falls sie schon in schlechterem Zustand
sind, die verbrennen es auch im guten Zustand. Vom legendären Mercedes SSK, einer
Konstruktion des seligen Ferdinand Porsche, erzählte man mir, es sei rund alle hundert
Kilometer ein Quentchen Frischöl nötig. Gut, das ist ein renntaugliches Automobil aus
den 1920er-Jahren.
Als ich für die Strecke mein Auto betankt hab, griff ich
mir auf dem Weg zur Kasse noch einen Liter Öl, zu dem mich der Tankwart fragte:
"Brauchen sie das?" Ich bejahte. "Das ist Getriebeöl."
Ich brauchte auf keinen Fall Getriebeöl. Das wäre ein schöne Malheur gewesen, dieses
Zeug in den Motor zu füllen.
Wollte ich also meine eigene Fehlleistung bemängeln,
müßte ich dem zuständigen Designbüro vorhalten, daß ihnen die Codifizierung der
Ölflaschen eher schlecht gelungen sei. Das Vorfällchen ist ein dezenter Hinweis darauf,
wie eben verschiedene Milieus verschiedene Codes nutzen, die man leicht mißverstehen
kann, wenn man genau das nicht beachtet, diese milieubedingte Unterschiedlichkeit von
Codes.
Um ganz anderes Öl ging es dann im Schloß. Wir hatten uns
einen Abend vorgenommen, der jenen Prozeß einleiten soll, in dem wir bearbeiten und
klären möchten, was denn auf der Höhe der Zeit angemessene Schnittpunkte zwischen
Kulturschaffenden und Wirtschatstreibenden sein mögen.
Künstler Gerhard Flekatsch (oben rechts), macht sich mit
einem Freund über einen fast armlangen Zander her, der im Zentrum einer Performance lag,
die sich auf einer Leinwand manifestierte und als Geschmackssensation am werten Publikum
seine Wirkung entfaltete.
Davor hatten wir einige Positionen skizziert, von denen aus
wir weitere Stationen der Arbeit absolvieren möchten. Unternehmer Horst Fickel (unten
rechts, im Vordergrund) hatte in seinem Input eine sehr wesentliche Merkwürdigkeit
unserer Kultur betont.
>>Vor allem im betrieblichen Umfeld gibt es
praktisch keine Fehlerkultur. Fehler werden vertuscht und bestraft, wenn man sie entdeckt.
Es erscheint als ganz normal, dass Fehler nicht belohnt werden -- doch
betriebswirtschaftlich wäre das lukrativer, als dieselben Fehler noch mal zu
machen!<<
Da komme ich ja ins Grübeln, denn wenn mich etwas momentan
am Lauf unserer Dinge sehr beunruhigt, dann ist es das Maß an Stagnation und
Kompetenzverlusten, das sich immer ungeschminkter äußert. Da sind wir auf dem Kulturfeld
ja keine Ausnahme, hier sehe ich dieses Phänomen ebenso. Es ist keineswegs eine
ausgemachte Sache, daß es darüber kritische Diskurse geben dürfe.
Unternehmensberater und Kunstsammler Erich Wolf (links),
Künstler Günther Pedrotti und Kuratorin Mirjana Peitler-Selakov in Debatte... Welche
Fragen halten wir gemeinsam für interessant? Welche gemeinsamen Aufgaben ließen sich
daraus ableiten? Wofür wäre eine Bündelung unserer verschiedenen Kompetenzen
vielversprechend?
Das sind Überlegungen, die wir eben gemeinsam anstellen.
Dem werden weitere Arbeitstreffen quer durch die Oststeiermark gewidmet sein. Darin sehe
ich auch eine wichtige Grundlage für unseren Zugang zu den Fragestellungen rund um das
Vorhaben "Vision 2050". Das mündet ja in die Überlegung, wofür wir selbst die
Verantwortung zu übernehmen fähig sind, um jene Prozesse mitzugestalten, die uns gerade
in die Zukunft führen.
[2050: Übersicht] |