7. November 2011 Motorsensen.
Da reicht mein Verständnis noch hin. Laubgebläse. Da setzt es aus. Und ganz generell
hoch drehende Motoren, die einem in die Ohren schneiden. Dafür fehlt mir jede Einsicht.
Aber das ist vermutlich eine aussichtslose Vorstellung, im städtischen Leben könnten
Menschen sich aufraffen, für einen Gewinn an Stille einzutreten.
Rasenmäher und Laubgebläse. Aber wie komme ich zu einer
nachvollziehbaren Position in der Sache, wo mir das Thema Motortisierung so viel Freude
macht? Ambivalenzen als Zustände der Wahrhaftigkeit. Beim Stadtportal "info
graz" gehe ich gerade der unmittelbaren Vorgeschichte nach. Vor, nach. Das sind
so Satzformationen, die mich schlagartig ins Grübeln bringen und dann ist der Faden weg.
Die Velozipede in zwei Kapiteln: "Heftige Kurbeleien"
und "Dampf
machen". Was oben auf der alten Grafik zu sehen ist, galt 1869 als grobe und
primitive Konstruktion. Heute werden derlei Vehikel in kleinerer Version noch als
Kinderspielzeug angeboten. Die Einübung in Mobilität, gestützt auf Fahrzeuge, beginnt
bei uns früh.
Noch radikaler läuft das bei Gypsies in Beograd. In einem
amüsanten Film sah ich Achtjährige umgebaute Citroens chauffieren. "Pretty
Dyana" von Boris Mitic (Serbien, 2003) [link]
ist ein erstaunliches Dokument jenes Effizienzgewinnes, den die Roma per Mototisierung
gegenüber den Handkarren gewinnen.
Ich hab den Film am zweiten Veranstaltungsabend in der
neuen "werkstatt gleisdorf: zeitgeschichte + kultur" von Wolfgang
Seereiter gesehen. Halten wir fest: Kommunen jenseits des Landeszentrums haben ihre
Kulturbdgets so weit heruntergesetzt, daß viele gerade noch ihre "alten
Institutionen" halbwegs bedienen können. Ein Kooperation mit privaten
Kulturinitiativen oder gar die Sorge um neue Entwicklungen sind gestrichen.
Eine höchst problematische Entwicklung in einer Zeit der
Stagnation und der gesellschaftlichen Kompetenzverluste. Es ist einigermaßen kurios, daß
ich mich gerade in solchen Tagen auf Debatten einlassen darf, in denen mir ein Gegenüber
etwa vorhält: "ah so, dann also doch nicht kunstschaffende am freien markt? oder
nur dort, wo sie profit erwirtschaften und wos nicht klappt, muss der steuerzahler
ran?"
Oder Sätze wie: "... ich hab auch kein problem
damit, dass kunst (wie so vieles andere auch) am subventions- und förderungstropf hängt
(und das mit mehr recht darauf, als manch anderes!). ich verstehe nur nicht, warum
kunstschaffende damit ein problem haben ... "
Das schreibt mir kein unbedarftes Schäfchen, sondern ein
Medienberater. Diese verkürzten Ansichten, in denen Kunstschaffende so leicht IMPLIZIT
der Kategorie "Sozialschmarotzer" zugerechnet werden, ärgern mich. Ganz
speziell vor dem Hiintergrund der Tatsache, daß gerade Boulevardmedien vom Staat
unvorstellbare Summen an Presseförderung beziehen und übrige Medienbetriebe
größtenteils nicht grade ihre Gewinne machen, indem sie die Menschen zu kritischem
Denken und Erekenntnisgewinn anregen.
Ich darf daraus einmal mehr schließen, daß es in unserer
Gesellschaft keine halbwegs realistische Vorstellung gibt, was die Situation und
Arbeitsbedingungen der Kunstschaffenden sind und welchen Zielen solche Arbeit gewimet ist.
Ich muß ferner davon ausgehen, daß es in meinem Metier
bisher nicht gelungen ist, kohärente Berufsbilder zu entwickeln und nach außen zu
kommunizieren. Das ist Ausdruck einer sehr dummen Situation, die sich unter Umständen --
das wäre zu klären -- einigen eher dummen Haltungen verdankt.
Ich denke, ein regionaler Prozeß, der den Perspektiven
für unsere Zukunft gewidmet ist, gibt in der Oststeiermark eben Gelegenheit, diese
Aspekte zu bearbeiten und mangelhafte Vorstellungen zu ergänzen, zu erweitern. Mit "Vision 2050" haben
regionale Funktionstragende den Willen ausgedrückt, sich mit Bürgerinnen und Bürgern
über derlei Fragen zu verständigen. Bliebe zu klären, ob wir Kulturschaffenden
gerüstet sind, solche Prozesse und Debatten mitzutragen und mitzugestalten.
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