18. Oktober 2011 Auf dem
Rückweg von "treci beograd" machten wir in Novi Banovci Station.
Kunstsammler Vlado Macura hatte uns zum Frühstück geladen. Auf einem Plateau über der
Donau steht das Museum, das er für seine Kollektion bauen ließ: [link]
Davor diese Referenz an Malewitsch. Wenn man das Dache der
Kapelle hochkurbelt, erscheint das Kreuz, wie es als "Schwarzes Kreuz"
in seinem Werk vorkommt. Der gesamte Zusammenhang beschäftigt mich ja zuhause gerade.
Worum kann es gehen, wenn die Gegenwartskunst abseits des Landeszentrums einen Standort
erhält?
Die Distanz zwischen Beograd und Novi Banovci entspricht
etwa der zwischen Graz und Gleisdorf. Ich hatte gestern ein weiterführendes Gespräch mit
dem Gleisdorfer Kunstsammler Erich Wolf.
Genau das macht uns nämlich zur Zeit spannende Arbeit; wie
sich in der Region ein Kompetenzzentrum für Gegenwartskunst realisieren ließe. In
Serbien hatten wir ja gerade gesehen, was möglich ist, wenn Kunstschaffende angemessen
kooperieren, um quasi neue Ufer zu erreichen.
Faktenlagen schaffen. Zugzwang erzeugen. Klären, was es
ist. Also auch: Definitionshoheit beanspruchen. Solche Optionen müssen zur Zeit
gegenüber der Politik wahrgenommen werden. Wenn wir das ausschlagen, wird auch weiterhin
die Politik, Hand in Hand mit der Ökonomie, klären, was Kunst sei. Und das führt
erfahrungsgemäß nicht verläßlich zu den Ergebnissen, die Leute wie ich für angemessen
halten würden.
Launiges Schicksal! Kurz vor meiner Rückkehr erreichte
mich die Nachricht, das Flurim Zequiri gerade in Gleisdorf sei, sich auf dem Sprung nach
Wien befinde. Flurim, hier links neben dem Tierarzt Karl Bauer, ist, um es moderat
auszudrücken, nicht gerade ein Freund des Serbischen. Der Kosovare und vormalige
UCK-Kombattant kreuzt gelegentlich meinen Weg.
Stets führt das in Erörterungen politischer Fragen. Stets
bringt das Lektionen mit sich, die ich nicht so salopp unterbringen kann. Merkwürdiger
lauf der Dinge, daß ich ausgerechnet von Serbien aus zu unserem Treffen kam. Und als
wären da nicht schon genug offene Fragen gewesen, die sich aus den Tagen mit der
russischen Crew in Beograd ergaben, lag im gestrigen Abend ein Schlußpunkt jener Reise,
der mir mehr als deutlich gemacht hat, wie komplex sich Europa ereignet.
Post scriptum:
Weil in der Hotellobby das Rauchen untersagt ist, Flurim aber ohne Zigaretten nicht
sein mag, ließen wir uns die Drinks in der Wirtsstube von Frau Olga servieren. Sie ist
slowenischer Abstammung, hat Jugoslawien vor über vierzig Jahren verlassen. Es ist
reichlich seltsam zu erleben, wie sie ihr etwas eingerostetes Serbokroatisch in Schwung
bringt, um sich mit Flurim unterhalten zu können, für den Jugoslawien vor allem eines
bedeutet hat: "Shtime war wie ein Lager. Wir haben nirgends hin dürfen. Es war
verborten, die Stadt zu verlassen."
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