14. Oktober 2011 Es ist
verrückt. Und es hat eine verblüffende Perspektive. "Treci Beograd", das
dritte Beograd. Eine Position jenseits der Jammerkultur, zu der sich allerhand Kunst- und
Kulturschaffende gelegentlich hinreißen lassen, in Österreich wie in Serbien wie sonst
wo.
Da waren erst einmal die bescheidenen Mühen von rund 600
Kilometern zu absolvieren. Das verlangt die Route, um von Gleisdorf nach Beograd zu
gelangen. Einige Stündchen Fahrt. Aber dann noch einmal eine Dreiviertelstunde, um vom
Stadtteil Zemun quer durch die Stadt zu gelangen, um den "Dunavski Pirat"
zu erreichen. Ein angenehmes Lokal am jenseitigen Ufer der Donau, wo es nach Pancevo geht.
Pancevo ist aus europäischer Wahrnehmung verschwunden.
Während der jugoslawischen Kriege hatte die Nato den dortigen Chemiekomplex bombardiert
und damit einen giftigen Cocktail in die Umgebung freigesetzt, der noch viele Jahre danach
das Leben von Menschen verkürzt hat.
Im "Dunavski Pirat" wohnt man angenehm
und nicht ganz amtlich. Oder doch? Die paar Häuser an diesem entlegenen Ort haben keine
gesetzliche Grundlage. Aber man ahnt, daß dieses Terrain in wenigen Jahren ein
wunderschöner Platz sein wird.
Selman Trtovac von "Treci Beograd" wartete
unter der Brücke, um uns zur Galerie zu lotsen. Die beiden Sergejs von den "Kollektiven
Aktionen" sind für Mittwoch avisiert, Sabine tags darauf. Wir ergeben also eine
kleine Vorhut. Der rohe Parkplatz ist erdiges Terrain von gewiß mehr als tausend
Quadratmetern. Ich schaffte es, im abendlichen Dunkel, ganz exakt die einzige
Wasserleitung weit und breit umzufahren, was mir nasse Hosenbeine eingebracht hat.
Der hohe Pfahlbau hat mich sehr verblüfft. Eine enorme
Anstrengung von Menschen, die sich der Kunst verschrieben haben. Die Galerie hat eine
großflächige Glasfront, durch die ein Donau- Panorama sichtbar ist, in dem gelegentlich
schwere Lastkähne vorbeigleiten. Im Geschoß über der Galerie entsteht Wohnraum für artists
in residence. Die Terrasse vor diesem Bau entstand aus mehr als hundert LKW-Ladungen
Erde. Sie sollte trocken bleiben, falls die Donau Hochwasser führt.
Serbien ist ein Land, in dem Kunstschaffende kaum auf
staatliche Gelder zählen können. Eine Postkriegsgesellschaft, in der Gegenwartskunst
vermutlich weit weniger Priorität zugeschrieben bekommt, als wir das in Österreich
gewöhnt sind; und da ist die Prioritätenlage von Kunst schon dürftig, wenn man aus
einer größeren Stadt erst einmal draußen ist.
So drücken sich eben auch Aspekte von Professionalität
aus. Einen Gesamtzusammenhang auszumachen, zu begreifen, seine Zugänge zu klären und ein
ganzes Leben darauf zu verwenden, daß dieses Thema vorankomme, inhaltlich, strukturell,
in Gedanken und in Artefakten... Um es deutlich zu machen, die Leute von "treci
beograd" haben alle oihre Mottel und Möglichkeiten gebündelt, haben ein Haus
gebaut, dessen Kernstück eine beeindrtuckende Galerie ist.
An diesem Ufer der Donau entsteht also nun eine nächste
Station der "Virtuosen der Täuschung", die vor rund einem Jahr als "Ein
Einblick in das Universum der Gruppe Kollektive Aktionen" in Gleisdorf ihren
Vorläufer hatten. Und außerdem zur gleichen Zeit eine kleine Station des Reflektierens
in Gleisdorf:
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