5. Oktober 2011
Nein, es ist kein Landie. Zu kantig. Und die
Proportionen stimmen nicht. Ich hab so einen Allrader schon einmal in der Schweiz gesehen,
aber sonst noch nie. Eine Menge eher gerade, recht flache Bleche; das weist auf
kostengünstige Pressen hin, ist also ein Gebot sparsamer Automobilproduktion.
Es ist ein ARO, mutmaßlich ungefähr ein 246er. "Auto
Romanie" macht das Herkunftsland kenntlich. Der Herkunftsort klingt romantisch: Câmpulung
Muscel; was im Kern etwa "Langfeld" bedeutet.
Ich hab gerade ein besonderes Faible für den Klang von
Worten, die uns nicht alle Tage unterkommen. Wer hat etwa noch "Bestemm"
in den Ohren? Das bedeutet etwa "Sturheit" und war in Österreich einst sehr
gebräuchlich.
Etwas an britischem Flair ist mir allerdings im
Stadtzentrum noch untergekommen. Den Mini braucht man wahrlich niemandem erklären. Er war
eine epochale Konstruktion von Alec Issigonis, ein Meilenstein der Volksmotorisierung.
Daß aber sein ursprünglicher Name "Austin Seven" noch auftaucht,
gehört zu den raren Momenten.
Stets hängen Geschichten an den Begriffen. Das
beschäftigt mich gerade, weil ich nächste Woche in Beograd "unsere Russen"
wiedersehen werde. Dort wird nämlich die anschließende Station "Virtuosen der
Täuschung" eröffnet. Im Serbischen heißt das "Virtuozi obmane".
.
Wir hatten die "Kollektiven Aktionen" aus
Moskau mit "Virtuosen der Täuschung" vorigen Herbst auf meiner
Strecke; das Konzept stammt von Mirjana Peitler-Selakov. Heuer haben sie den russischen
Pavillon auf der Biennale in Venedig bespielt, nun also machen sie in der serbischen
Hauptstadt Station. Und ich gestalte einen regionalen Bezugspunkt in der Sache: "the track: archive".
Wir haben es da mit Menschen zu tun, in deren Werk offenbar
über weite Strecken das Prinzip "Jedes Wort zählt" gilt. Keine
Formulierung ist flüchtig dahingesagt, kein Beistrich beliebig liegengeblieben.
Denkdisziplin und Emotionalität in einem wechselseitigen Kräftespiel.
Aber dann nehmen sich auch noch andere Themen Raum. Ich hab
O. getroffen, nachdem wir uns recht lange nicht gesehen hatten. Bei einem Bier in der
Milde des Herbstes schwelgten wir ein wenig in der Vergangenheit und ebenfalls etwas in
der Zukunft; soweit wir eine haben.
O. erlebt gerade, daß seine Bauchspeicheldrüse
erheblichen Schaden genommen hat. Das verursacht Schmerzen. Verläßliche Therapie gibt es
eigentlich keine, sagt er. Wenn es so weitergeht, wird es ihn umbringen.
"Und kannst du den Prozeß verlangsamen?"
"Könnte ich", sagte er, "wenn ich mit dem Trinken aufhören würde."
"Und wirst du?" "Ich hab es schon einige Male versucht. Aber nüchtern, das
bin einfach nicht ich."
Da war eine Traurigkeit in seinem Sprechen. Und wenn wir
das auch teilen, wie nun die vor uns liegende Zeit sehr viel weniger ausmachen
wird als die hinter uns liegende, was keine harmlose Sache ist, so ist diese
Gewißheit, den eigenen Leib als Feind zu haben, wohl auch umgekehrt: der Feind des
eigenen Leibes zu sein, von einer ganz eigentümlichen Unerbittlichkeit, die mich sehr
nachdenklich macht. |