26. August 2011 Rein nach Bosnien, raus aus Bosnien. Für eine gute Route muß auf
dem Terrain des vormaligen Jugoslawiens oft ein mehrfacher Grenzübertritt in Kauf
genommen werden. Wie gerne war ich dort. Es ist ein sehr schönes Land. Bosnien und
Hercegovina. Es ist ein armes Land.
Wirtschaftlich war es noch nie mit Üppigkeit gesegnet.
Nach dem Krieg der 1990er-Jahre ist es außerdem eine politische Katastrophe. Nicht nur
dank der festgefahrenen Konfliktlagen zwischen Bosnjaken, Kroaten und Serben. Auch
westliche "Mission-Junkies" haben viel dazu beigetragen, daß sich wenig bewegt,
während sich ihre Konten mit Monatsgehältern füllten, die durchschnittliche
Jahresgehälter im Land weit übersteigen.
Entlang der Drina scheint mir, die Landwirtschaft sei dort
von der Art, wie ich sie bei uns in meiner Kindheit gesehen hab. Nur gering maschinisiert,
Mahder auf den Wiesen und Leute bei der Heuarbeit sieht man in Österreich wohl
bestenfalls noch bei den Bergbauern.
Solche Heuhiefel gehören bei uns der Vergangenheit an. Ich
denke, so drückt sich jene Handarbeit aus, die einen nicht in restlose Abhängigkeit von
Banken treibt. Denn der Maschinenpark, welchen unsere Leute sich zur Leistungssteigerung
leisten, kostet ein erhebliches Vermögen.
Manchmal sah ich größere Hiefel, meist aber solche
Grüppchen, die mich auf einen kleinen Viehbestand und Selbstversorgerwirtschaften tippen
lassen. Ich hatte freilich andere Gründe, um nach Bosnien zu kommen. Tausende ermordete
Zivilisten, die mit Baggern untergepflügt worden waren, sind ja nicht ein Makel der
südslawischen Leute, sondern ganz Europas.
Nein, ich meide diesen Themenkomplex keineswegs. Aber auf
dem Weg durch diesen Abschnitt des Landes war ich von Vukovar gekommen. Dessen Feld mit
den weißen Steinkreuzen, die an Massaker gemahnen, erinnert formal sehr stark an das, was
wir üblicherweise als "Heldenfriedhof" vorgesetzt bekommen. (Welche
Obszönität, so etwas Heldenfriedhof zu nennen!)
Es war für mich interessant zu erleben, wie
unterschiedlich Statements auf symbolischer Ebene wirken. Denn etwas später, in Potocari,
sollte mich die ganze Wucht des Unfaßbaren treffen, aber eben ganz anders als in Vukovar.
Ich reise stets mit enormem "Blickhunger". Daß
dabei auch in solchem Schrecken anzukommen ist, gehört zu den Ausnahmen. Wie leichtfertig
haben unsere Leute nach Auschwitz einander versichert, daß solches Ausmaß an
Menschenverachtung erledigt sei. Wie viele Jahre erlebe ich nun schon, daß verächtliches
Reden auch in Österreich längst wieder salonfähig ist und innenpolitische Legitimation
erfährt.
Wir lassen den Vorbedingungen solcher Massaker längst
wieder zu viel Raum. Wo Verachtung und Eigennutz Allianzen eingehen und sich breiterer
Zustimmung versichern dürfen, werden Tote in Kauf genommen. Daran gibt es keine
Geheimnisse und keine Unklarheiten. Es sind uns alle Stufen solcher Prozesse bekannt, um
die Pfade identifizieren zu können, auf denen die nächsten Täter aufmarschieren.
Ich würde freilich verrückt werden, wollte ich mich auf
Reisen nur diesen Aspekten widmen. Also wächst auch meine kleine Bestandsaufnahme alter
Fuhrparks, etwa um so einen TAM Tanker, den ich auf einer Baustelle stehen sah. Ein
bulliger Magirus Deutz-Klon, der es wahrscheinlich noch weitere Jahrzehnte machen wird,
falls uns inzwischen nicht das Öl ausgeht. |