24. Juli 2011 Vielleicht sind wir prinzipiell antiquierte Wesen, furchtsam und nicht gerade
rebellisch im Herzen. Das sind freilich kulturelle Aspekte. Was die menschliche Natur sei,
bleibt ja hinter allerhand Inszenierungen verborgen.
Sehe ich heute meinem Sohn hinterher, wenn sich unsere Wege
etwa nach einem gemeinsamen Mittagessen trennen, dann erinnert mich das oft daran, was
für liebenswürdige und warmherzige Wesen die Menschlein sind, wenn sie uns nach der
Geburt in die Hände gelegt werden.
Manche sind ohne Frage von hausaus mit irgendwelchen
düsteren Seiten belegt, aber allerhand weist darauf hin, daß wir die miesesten
Eigenschaften in menschlicher Gemeinschaft hauptsächlich selbst produzieren und
kultivieren.
Wo immer eine Gesellschaft wachsende Brutalisierung
zuläßt, fühlen sich Täter ermutigt, ergeben sich immer mehr Opfer den Gebräuchen der
Tyrannis, weil diese Art der Anpassung offenbar ein vielversprechendes Konzept ist, um
zwischen der eigenen Nasenspitze und dem Rücken zur Wand etwas Spielraum zu gewinnen.
Im lauschigen Österreich wird von Zeit zu Zeit ganz gerne
die Rebellion ausgerufen. Das ist freilich nichts, wovor sich eine Obrigkeit fürchten
müßte. Wir haben nämlich keiner relevante Erfahrung mit dem Aufständischen.
Ein Beispiel: Wer sich einst den Nazi-Barbaren widersetzt
oder gar gegen sie aufgelehnt hat, gilt heute noch in weiten Kreisen als
"Verräter" und es gibt in Österreich breiten Konsens, daß unsere Leute den
Zweiten Weltkrieg verloren hätten. (Dabei hat damals die Tyrannis verloren, also haben
wir gewonnen.)
Es wird mir in meinem Österreich recht viel von
"Werten" gesprochen. Wo und wie kommen die auf den Boden der Tatsachen? Ich
denke, es läßt sich gut bemessen. Über das Denken von Menschen kann ich meist nur
spekulieren, weil wir nicht gerüstet sind, in jemandes Kopf zu blicken. Aber was jemand
spricht und schließlich tut, läßt passable Rückschlüsse zu.
Damit ist auch das "Koordinatensystem" benannt,
indem Haltungen bewertbar werden. Wie verhalten sich nun das Denken, Reden und Tun eines
Menschens zueinader? Das Fließgleichgewicht zwischen diesen Bezugspunkten halte ich für
einen Ausdruck von Redlichkeit; oder eben deren Mangel.
Aber was schreibe ich hier von Aufständen? Na, einer hat
sich eben erst ereignet, so hörte ich, obwohl ich ihn nicht gesehen hab. Und dieser
Aufstand ist gerade in den wohlverdienten Sommerurlaub gegangen. Allein dieser Umstand
läßt mich annehmen: Ja, dann muß es ein österreichischer Aufstand sein, wenn er mit
einem Urlaubsanspruch verbunden wurde.
Aber ganz unter uns, wahrscheinlich ist es doch kein
Aufstand, sondern bloß eine Erregung. Da nun Errungen, wie uns die werte Wissenschaft
andeutet, von Erregungskurven getragen sind, ist das Rauf und Runter, das Auf- und
Abschwellen der Erregung etwas, das dem Wesen von Erregungen entspricht, weshalb den
großen Emotionen eine Erschöpfung folgen MUSS. Und Erschöpfung ist eine vorzügliche
Grundlage für eine Sommerpause. Voilá!
Übrigens! Der Autor Erich Mühsam, 1934 von SS-Leuten
ermordet, hatte der "Revolüzzerei" schon seinerzeit einige aufschlußreiche
Zeilen gewidmet, von denen ich acht hier zitiere:
War einmal ein Revoluzzer
im Zivilstand Lampenputzer;
ging im Revoluzzerschritt
mit den Revoluzzern mit. |
Und er schrie:
"Ich revolüzze!"
Und die Revoluzzermütze
schob er auf das linke Ohr,
kam sich höchst gefährlich vor. |
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