17. Juli 2011 Hatte je ein Auto schärfere Bügelfalten? Das war gestern eine der kuriosen
"Randerscheinungen" beim Abgesang im Grazer "Schaumbad",
also bei den Schlußakkorden an dieser geräumigen Stätte eines Künstlerkollektivs.
Der Peugeot 404 kam im Mai 1960 auf den Markt und war rund
15 Jahre in Produktion, außerhalb Europas allerdings bis etwa 1991. Ein Leitfossil dieser
Ära, da Heckflossen, die in Europa niemals den Wahnsinn amerikanischer Heckflosser
erreichten, abzuklingen begannen.
Das "Schaumbad" ist eine von mehreren
Grazer Kunststätten, die in jüngerer Zeit entweder geschlossen oder weitgehend
umstrukturiert wurden. Dieser Ort eines großen Kunstkollektivs wird geschlossen. Der
Umbruch ist ja das Beständigste in Gesellschaften. Wie viel Kontinuität in den
Rahmenbedingungen wäre daher für Kunstschaffende wünschenswert? Darüber gehen
Auffassungen in unseren Reihen weit auseinander. Die Vielfalt der Erzählungen,
Ausdrucksformen...
Mit Witz und Wucht hat etwa die "zweite liga für kunst und
kultur" an diesem Abend erzählt, was ein "Normalfall" alles an
gruseligen Details in sich birgt. Wie viel an Gegenposition schaffen denn Leute wie wir in
einer Kultur, die inzwischen von TV-Programmierern überrannt wurde?
Ich meine, anders ausgedrückt, was hat es denn für
Konsequenzen, wenn eine Gesellschaft mit dem größten Teil ihrer Angehörigen Tag für
Tag, jahrein, jahraus, nach der Alltagsarbeit vor den TV-Geräten hängt und sich
zwischendurch aus Boulevardblättern die aktuellen Weltdeutungen holt?
Ich möchte nicht übertrieben pessimistisch erscheinen.
Aber diese kulturelle Gesamtsituation, schon im Vorlauf untermauert von den Prinzipien
eines autoritären Katholizismus, der sich selbst in der Gegenreformation gehärtet hat,
und das mit ziemlich üblen Machenschaften, all das wirft längst nicht mehr bloß
Autoritätsprobleme auf.
Immer mehr Menschen in diesem wohlhabenden Land haben
wachsende Probleme ihren Alltag zu bewältigen, das Familienleben auszubalancieren und
zuweilen simpelsten Anforderungen des Berufslebens gewachsen zu sein. Dieser auffallende
wie rasante Kompetenzverlust ist weder vom Himmel gefallen, noch muß ich an die
Möglichkeit massenhafter Spontanverblödung glauben. (Individuelle Spontanverblödung
will ich allerdings für möglich halten.)
Ja, die Kunst ist die Kunst. Sie ist kein Heilmittel, kein
soziales Hilfswerk, keine Wellnessabteilung. Sie ist Anlaß, seine eigene Wahrnehmung und
seine Vorstellungen von der Welt zu überprüfen. Was immer daran auch ungewiß bleiben
mag, im Namen der Kunst wurden noch keine Kriege geführt und keine Reiche errichtet.
War früher die Befassung mit Kunst wohlhabenden Leuten
vorbehalten, die sich mit ihren materiellen Vorteilen Zeit, Muße und Bildung sichern
konnten, so haben wir noch sehr wenig praktische Erfahrung, wie eine Massengesellschaft
mit all diesen Möglichkeiten umgehen sollte.
Deshalb staune ich auch sehr, wenn gerade aus unseren
Milieus Zurufen kommen wie: "Das ist so abgehoben!" "Ihr seid so
elitär!" Heißt das, die Nachfahren von Knechten und Mägden wünschen sich
zurück zu einfachen Verhältnissen und überlassen es gerne ihrer Herrschaft, subtiler
Möglichkeiten ihres Daseins auszuloten?
Warum gehen wir also nicht wenigstens gelegentlich Schulter
an Schulter, um diese anderen Terrains zu durchstreifen und um herauszufinden, was
eventuell zu gewinnen wäre, wenn wir uns Kompetenzen zum Umgang mit so komplexen Belangen
aneignen würden? |