20. Juni 2011

Die Türschnallen verraten, daß die hinter Tür nach hinten aufgeht. Nein, das ist nicht bei vielen Automobilen so. Die Radnabe zeigt zwei R. Genau! Die besagen nicht Rock & Roll, sondern Rolls Royce.

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Ich tippe auf den "Ghost" und fühle mich daneben, als säße ich in einem Gartenhäuschen mit Ausblick auf eine Villa. Automobile konstituieren privaten Raum mitten im öffentlichen Raum. Das ist ja eine ziemlich kuriose Sache. Noch dazu mobiler Raum. Würde ich Hausfriedensbruch begehen, wenn ich dem Royce-Fahrer zum Seitenfenster hereinkäme?

Was befasse ich mich denn mit solchen Luxusgegenständen, wo doch der Ernst des Lebens in meinem Stiegenhaus herumhockt? Ich wurde heute eindeutig zu früh von zwei Motorsensen geweckt, als bin ich noch etwas trüb gestimmt und folglich unpräzise. Hoch drehende Motoren sollten in bewohntem Gebiet generell verboten sein. Mögen die Grasbüschel in den Himmel wachsen! Also: Der Enst des Lebens.

Franz Wolfmayr, sozusagen ein Fachmann auf dem Gebiet "Ernst des Lebens", schrieb mir dieser Tage: "...ich war gerade in Kopenhagen bei einer Konferenz, da hat Christie Lynch, ein alter Kämpfer aus Irland, gesagt: Never waste a good crisis."

Was für eine kluge Überlegung! Keine Veränderung ohne Krisis. Man darf gute Krisen wahrlich nicht verpassen oder gar vergeuden, sonst bleibt ja alles wie es ist. Ich finde die aktuelle Krisensituation höchst belebend, obwohl ich ins Ächzen komme, weil mir dabei schon erarbeitete Grundlagen flöten gegangen sind. Aber der Wirbel weckt manche Leute in meiner Umgebung auf, macht auch manches sichtbar, was sonst eher verborgen besteht.

Ich hab grade einen Protestierer bestaunt, der bekennt sich per Button zu einer Bewegung namens „Echte Demokratie jetzt“ und beruft sich mit dem Zitat „sapere aude!“ auf Immanuel Kant sowie die Aufklärung.

Was die Sache hübsch rundet, er nennt als seine „Religiösen Ansichten“ den Buddhismus. In einer kleinen Korrespondenz schrieb er mir unter anderem bezüglich eines meiner Einwände gegenüber seinen Ausführungen: „diese tussi ist ein unmensch und verdient es nciht als mensch behandelt zu werden“.

Ohooo! Das sind Töne! Der gute Mann arbeitet nicht gegen die Krise, er IST ein lebendiger Teil der Krise. Ich bin ziemlich irritiert, daß solche Schätzchen sich im Kernbereich einer aktuellen Protestbewegung hervortun können, ohne daß das Einwände nach sich zieht.

Es ist völlig unakzeptabel, daß jemand Andersdenkende mit solchen Zuschreibungen versieht, auch wenn es politische Opponenten sind, die einem durch ihr Verhalten sehr mißfallen. Von solchen Freundchen tummeln sich einige im aktuellen Protestgeschehen, da heißt es dann etwa mit dem impliziten Appell zum Schenkelklopfen: „Eine schöne Frau wäre dumm, wenn sie auch noch klug wäre“.

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Was für ein Spaß! Spieß! So reden Spießer, denen ich politisch keine drei Meter über den Weg traue. Aus solchen Herren schnitzt man notfalls auch Herrenmenschen. Denn was ein "Unmensch" sei, dem fehlen bloß einige Lettern zum "Untermenschen". Das ist eine Kategorie, die längst nicht mehr zur Disposition, nicht einmal zur Debatte stehen sollte.

Da wünschte ich mir nun etwas Nachdenken in den vorderen Reihen einer sozial und kulturell betonten Protestbewegung, die eigentlich -- so stelle ich mir vor -- im Lager der Menschenwürde zu stehen hätte. Das würde verbieten, jemandem, egal wem, Menschlichkeit abzusprechen.

Mir scheint, so klingt es dann eben, wenn die Spaßgesellschaft Ernst macht. Es bleibt notwendig, auf die Worte und Redensarten zu achten. Victor Klemperer notierte in „LTI – Lingua Tertii Imperii", seiner Untersuchung der Sprache des Dritten Reiches und ihre Wirkungsweisen, „der Nazismus glitt in Fleisch und Blut der Menge über durch die Einzelworte, die Redewendungen, die Satzformen, die er ihr in millionenfachen Wiederholungen aufzwang.“

Lesen Sie Leserbriefe! Da geht es in manchen Blättern andauernd auf diese Art zur Sache. Derlei Weise des Herabwürdigen von Menschen ist eine manifeste Art der Gewalttätigkeit, die sich nicht schönreden läßt. Wer solche Gassen beschreitet und auf ihnen bleibt, landet früher oder an Ortsschildern wie Auschwitz oder Srebrenica.

 

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