17. Juni 2011 Mein "Scanner" ist immer eingeschaltet, wenn ich durch die Gegend fahre
und es mag seltsam klingen, aber es gibt typische Areale, in deren Nähe ich die
Aufmerksamkeit hochfahre, weil die Wahrscheinlichkeit steigt, ein interessantes Auto zu
entdecken.
Ich bin auch schon längst bedenkenloser, auf fremde
Grundstücke zu kurven, um ein interessantes Stück aus der Nähe zu erwischen. Hier war
es einfach, denn dieser 4000er Unimog, wie ihn Österreichs Bundesheer verwendet, im
Alltag schwer zu erwischen, stand auf dem Parkplatz einer LKW-Werkstatt. Da fällt jemand
mit einem kleinen VW Kombi gar nicht auf.
Dafür hab ich nur selten so lange gebraucht, um von einem
Grundstück wieder herunterzukommen. Eine derart weitläufige, sanft gekurvte Strecke in
einem Einbahnsystem ist vermutlich gemacht, um auch beträchtliche Langfuhren bewegen zu
können.
Ich war auf dem Weg zu Schloß Hainfeld. Das liegt ein
kleines Stück hinter Feldbach, also ein gutes Stück südlich von Gleisdorf: [link] Dort war ich zuletzt im
vergangenen Sommer gewesen: [link]
Künstler Gerhard Flekatsch ist Initiator des dort
ansässigen Projektes "Bluethenlese",
womit er sich auch auf den ursprünglichen Hausherrn, den Diplomaten und Orientalisten
Joseph von Hammer-Purgstall, bezieht.
Die jetzige Schloßbesitzerin, Annabella Dietz (hier rechts
neben Kunsthistorikerin Mirjana Peitler-Selakov), ist gleichermaßen mit Kultur wie
Agrikultur vertraut. Das bedeutet unter anderem, Dietz hat eine wachsende Teichwirtschaft
eingeführt und hält Freilandschweine, die -- Fische wie Schweine -- dank ausreichend
verfügbarer Flächen mit selbst angebautem Futter ernährt werden.
Das interessiert mich sehr im Kontext unserer Überlegungen
zur Bedeutung der agrarischen Welt in der Oststeiermark als einer der konkreten
Rahmenbedingungen der kommunalen und kulturellen Situation. (Das meint ein Augenmerk auf
bäuerliche, im Kontrast zur industriellen Landwirtschaft.)
Ein besonders kulturelles Gewicht ergibt sich für diesen
Ort durch Hammer-Purgstall, der ein gemeinsames Begreifen von Ost und West auf eine Art
verkörpert, wie kaum jemand sonst. Ich hab im September 2008 einigen Künstlern aus dem
Kosovo dieses Schloß gezeigt. Unter ihnen der türkischstämmige Et'hem Baymak, der
ziemlich verblüfft war, als er sich plötzlich im realen Arbeitszimmer des Hammer fand.
Seine Anmerkung zu Hammers großer Geschichte des Osmanischen Reiches: Es ist
das einzige wahre Geschichtswerk über unsere Kultur. (Siehe dazu den Eintrag vom 17.9.2008!)
Das bedeutet unter anderem, wir befassen uns mit der
kulturellen Dimension eines Europas, das sich in dieser Region auf bedeutende Art
manifestiert hat, was ein herkömmliches Verständnis des "Regionalen" weit
übersteigt. Und genau dass ist eines unserer Themen.
Aus der Betrachtung kultureller Verläufe ergibt sich
nämlich ein grundsätzlich anderes Bild, als wenn man jener Herausbildung der
Verhältnisse "Zentrum/Provinz" folgt, wie sie in der Industrialisierung
während des 19. Jahrhunderts stattgefunden hat, wovon meist unsere heutige Auffassung von
"Region" geprägt ist.
Das sind aber -- historisch betrachtet -- temporäre
Phänomene. Wie angedeutet: Die Kulturgeschichte bietet uns völlig andere Bilder. |