17. Juni 2011

Mein "Scanner" ist immer eingeschaltet, wenn ich durch die Gegend fahre und es mag seltsam klingen, aber es gibt typische Areale, in deren Nähe ich die Aufmerksamkeit hochfahre, weil die Wahrscheinlichkeit steigt, ein interessantes Auto zu entdecken.

log1741a.jpg (26689 Byte)

Ich bin auch schon längst bedenkenloser, auf fremde Grundstücke zu kurven, um ein interessantes Stück aus der Nähe zu erwischen. Hier war es einfach, denn dieser 4000er Unimog, wie ihn Österreichs Bundesheer verwendet, im Alltag schwer zu erwischen, stand auf dem Parkplatz einer LKW-Werkstatt. Da fällt jemand mit einem kleinen VW Kombi gar nicht auf.

Dafür hab ich nur selten so lange gebraucht, um von einem Grundstück wieder herunterzukommen. Eine derart weitläufige, sanft gekurvte Strecke in einem Einbahnsystem ist vermutlich gemacht, um auch beträchtliche Langfuhren bewegen zu können.

Ich war auf dem Weg zu Schloß Hainfeld. Das liegt ein kleines Stück hinter Feldbach, also ein gutes Stück südlich von Gleisdorf: [link] Dort war ich zuletzt im vergangenen Sommer gewesen: [link]

log1741c.jpg (21778 Byte)

Künstler Gerhard Flekatsch ist Initiator des dort ansässigen Projektes "Bluethenlese", womit er sich auch auf den ursprünglichen Hausherrn, den Diplomaten und Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall, bezieht.

log1741b.jpg (25153 Byte)

Die jetzige Schloßbesitzerin, Annabella Dietz (hier rechts neben Kunsthistorikerin Mirjana Peitler-Selakov), ist gleichermaßen mit Kultur wie Agrikultur vertraut. Das bedeutet unter anderem, Dietz hat eine wachsende Teichwirtschaft eingeführt und hält Freilandschweine, die -- Fische wie Schweine -- dank ausreichend verfügbarer Flächen mit selbst angebautem Futter ernährt werden.

Das interessiert mich sehr im Kontext unserer Überlegungen zur Bedeutung der agrarischen Welt in der Oststeiermark als einer der konkreten Rahmenbedingungen der kommunalen und kulturellen Situation. (Das meint ein Augenmerk auf bäuerliche, im Kontrast zur industriellen Landwirtschaft.)

Ein besonders kulturelles Gewicht ergibt sich für diesen Ort durch Hammer-Purgstall, der ein gemeinsames Begreifen von Ost und West auf eine Art verkörpert, wie kaum jemand sonst. Ich hab im September 2008 einigen Künstlern aus dem Kosovo dieses Schloß gezeigt. Unter ihnen der türkischstämmige Et'hem Baymak, der ziemlich verblüfft war, als er sich plötzlich im realen Arbeitszimmer des Hammer fand. Seine Anmerkung zu Hammers großer Geschichte des Osmanischen Reiches: „Es ist das einzige wahre Geschichtswerk über unsere Kultur“. (Siehe dazu den Eintrag vom 17.9.2008!)

Das bedeutet unter anderem, wir befassen uns mit der kulturellen Dimension eines Europas, das sich in dieser Region auf bedeutende Art manifestiert hat, was ein herkömmliches Verständnis des "Regionalen" weit übersteigt. Und genau dass ist eines unserer Themen.

Aus der Betrachtung kultureller Verläufe ergibt sich nämlich ein grundsätzlich anderes Bild, als wenn man jener Herausbildung der Verhältnisse "Zentrum/Provinz" folgt, wie sie in der Industrialisierung während des 19. Jahrhunderts stattgefunden hat, wovon meist unsere heutige Auffassung von "Region" geprägt ist.

Das sind aber -- historisch betrachtet -- temporäre Phänomene. Wie angedeutet: Die Kulturgeschichte bietet uns völlig andere Bilder.

 

[kontakt] [reset] [krusche]
24•11