7. Juni 2011 Mein Bürostuhl hat mehr Kilometer drauf als die Polizei erlaubt. Ein desolates
Möbel soll ja schädigend sein, wenn man zu viel Zeit darauf verbringt. Weil ich es für
sinnvoll halte, vor Ort einzukaufen, sah ich mich gestern in einem Gleisdorfer Möbelhaus
um und fand ein passables Stück, das für 160,- Euro zu haben gewesen wäre. Wäre!
Nun folgte eine zutiefst irritierende Lektion in Sachen
zeitgemäßer Wirtschaft. Die Verkäuferin sagte mir nach einem Blick in die Datenbank,
der Bürostuhl sei nicht verfügbar. "Vielleicht in einer anderen Filiale?"
Ein neuer Blick in die Datenbank, "Nein, die haben auch keinen. Ich muß ihn
bestellen. Das dauert aber sechs Wochen."
Ich bedankte mich höflich für die Mühe und versicherte,
daß ich innerhalb von sechs Wochen gewiß einen anderen Händler finden würde, der mir
auch verkaufen könne, was im Schauraum stehe. Aber ich werde wohl noch ein Weilchen
darüber grübeln müssen, was sich mir in dieser Situation gezeigt hat. Auf Anhieb ist es
mir nicht klar.
Gestern hatte ich noch einen anderen Anlaß über Belange
der Wirtschaft nachzudenken. Nach einem Mittagessen mit Wirtschafts- und Kulturlandesrat
Christian Buchmann, mit dem Landtagsabgeordneten Erwin Gruber und einigen anderen
Funktionstragenden vor allem regionaler Politik.
Ich werde demnächst zusammenfassen, was ich dabei zu
hören bekommen habe. Es war mir vor allem zweierlei bisher nicht all zu klar gewesen:
Daß in der Steiermark praktisch jeder zweite Arbeitsplatz in exportorientierten Betrieben
besteht und daß die Steiermark momentan bezüglich Arbeitsmarkt bessere Zahlen hat als
manch anderes Bundesland. Eine Arbeitslosenrate gegen drei Prozent gilt als Zustand der
Vollbeschäftigungm das ist etwa im Bezirk Weiz der Fall.
Ich war einigermaßen überrascht, wie offen die beiden
Herren eine Reihe von Fragen beantwortet haben. Gruber meinte einmal augenzwinkernd:
"Man muß ja die Wahrheit sagen... meistens." Wie also regionales und
internationales Geschehen in Wechselwirkung kommen können, ist für uns Kulturschaffende
sehr interessant, weil wir selbst meist nicht über die Mittel verfügen, um solche Wege
zu bahnen und auszubauen. Da schaffen bestehende und kommende Wirtschaftsinteressen manche
Möglichkeiten, Unterstützung für Kontakte und Transfer zu bekommen.
Paßt irgendwie zum Thema. Diese Headline (Quelle: "Der Standard") hat mich gestern zum
Lachen gebracht. Um das so witzig zu finden, nützt es, Derrida wenigstens kursorisch zu
kennen, was, zugegebenermaßen, etwas anstrengend ist. Vor rund zwanzig Jahren gab es im
Kulturbereich kaum eine Chance, dieser Anforderung auszukommen.
Helmut Ploebst hat unter der Headline "Doris
Uhlichs fabelhaftes Stück 'Uhlich'" besprochen und zitiert einen Derrida-Titel:
"Eine gewisse unmögliche Möglichkeit, vom Ereignis zu sprechen". Ja,
da muß man tapfer sein, wenn es gilt, unter solchen Denkweisen handlungsfähig zu
bleiben.
Apropos handlungsfähig. Die wachsende Empörung über
Konsequenzen steirischer Budgetpolitik führt in verschiedenen soziokulturellen Bereichen
zu heftigen Momenten. Dabei erlebe ich meine Kontroversen auch innerhalb des Milieus, weil
ich zu manchen Aspekten unterstelle, daß die aktuelle Empörung auf einiger Ignoranz
während der letzten Jahre ruhe.
Da erlebe ich "Provinzler" dann auch ganz
vorhersagbar den üblichen Klassiker: "Lieber Martin, wann bist Du in Graz und
hast Zeit für ein klärendes Gespräch?"
Das IST ja selbst schon einer der fundamentalen
kulturpolitischen Mißstände, daß Zentrumsleute in hohem Maße davon ausgehen, man werde
schon einmal nach Graz kommen, um sich treffen zu können. Selbst jene, die etwas von mir
wollen, brauchen, erbitten, fügen daran gelegentlich: "Bist du wieder einmal in
Graz?"
Dabei ist es von hier nach Graz der gleiche Weg wie von
Graz nach hier. Die Leute aus dem Sozialbereich sind da merklich anders gestrickt. Die
agieren -- auf das Land bezogen -- auch dezentral. Aber das Gros der Kunst- und
Kulturschaffenden, mit dem ich mich in letzter zeit versändigt hatte, zeigt keine
Vorstellung, daß es jenseits von Graz einiges zu tun gäbe.
Wie sagte Wirtschafts- und Kulturlandesrat Christian
Buchmann beim oben erwähnten Mittagessen? "Mehrheit ist Wahrheit in der
Politik." Die Basis der steirischen Kulturpolitik scheint das in weiten
Bereichen auch so zu sehen.
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