25. Mai 2011 Ob Wale einander hübsch finden? Und was genau bedeutet der Begriff
"Kreislaufwirtschaft"? Oder! Manchmal notiere ich mir Dialogsequenzen aus einem
Film. Ich denke gerne, ich würde mich jederzeit daran erinnern, welcher Satz aus welchem
Film stammt. Ein Irrtum.
Der folgende Satz, den ein Vater zu seinem Sohn sagt,
stammt auf jeden Fall aus einem Film über Irland, auch wenn ich nicht mehr weiß, aus
welchem: "Wenn die Briten dich nicht kriegen, schaffts der Alkohol."
Die Bitterkeit von Belfast ist wie eine Kerbe in meiner
Haut. Oder die merkwürdige Stille der Menschen auf dem Weg zum Friedhof von Kozarac.
Kozarac liegt in Bosnien Hercegovina. Der Friedhof birgt eine Schar ermordeter Muslime.
Trügt mich meine Erinnerung? Wie vieles ist von der Art, daß ich später weiß, ich war
dort, ich war dabei, und dennoch traue ich meiner Erinnerung nicht.
Erinnerung. Und das, was wir an die "Archive der
Kultur" übergeben. Ein Begriff, den der Kunsttheoretiker Boris Groys sehr
ausführlich behandelt. Sein Denken macht mir die Vorgänge plausibel, in denen wir unsere
kulturellen Angelegenheiten ordnen. Seine Annahmen über eine Kulturökonomie handeln von
Kräftespielen im Verschieben von Artefakten und Ideen zwischen "profanen
Räumen" und "kulturellen Archiven".
Auf dem Foto ist der serbische Künstler Nikola Dzafo zu
sehn. Er ordnet eben mein Set zum Thema "Nobody Wants to be Nobody" [link] zum Auftakt der "ok
alijansa" in der "Art Klinika" (Novi Sad).
Die "Schock-Galerie" in der "Art
Klinika" ist so ein kulturelles Archiv. Die Serie von gerahmten Fotos ist
jeweils etwas vollkommen anderes, ob sie nun in dieser kleinen Galerie hängt oder, in
einer Schachtel verpackt, in einer beliebige Ecke liegen. Lagern oder kulturelle
Aufbewahrung, zwei grundverschiedene Ereignisse.
Übrigens! Groys ist der Überzeugung, daß die Abwertung
der Kultur die unmittelbare Aufwertung des Profanen nach sich ziehe. Es lohnt sich,
darüber ein wenig nachzudenken. Ich bin ja ein Anhänger des Nachdenkens.
So fangen zum Beispiel meine diversen Browser keineswegs
alle Popups ab. Dann geht etwa sowas an meinem Bildschirm hoch. Wenn nun etwas angeblich
kein Scherz ist, wie dieser Umstand, daß jemand, den ich gar nicht besucht habe, mir
unbedingt etwas schenken will, was soll ich darüber denken?
Das war jetzt natürlich eine leichte Übung. Ist Denken
eigentlich eine Arbeit? Oder zumindest eine Leistung? Man wird wohl sagen müssen: Hängt
davon ab, was dabei herauskommt. Wieder einmal der kategoriale Unterschied zwischen
"fleißig" und "tüchtig".
Ich hab in letzter Zeit bei exponierten Leuten der
aktuellen steirischen Protestbewegung nach inhaltlichen Grundlagen gefragt. Wäre da eine
Streitschrift? Ein soziales und oder kulturelles Grundsatzpapier? Eher nicht! Aber Web
zwo mit seinem Angebot einer Mausklick-Demokratie regt zumindest zu sporadischen
Äußerungen an, mit denen Straßenpräsenz gut ergänzt werden kann.
Wenn ich all die Jahre immer wieder betone, daß ich
leibliche Anwesenheit im öffentlichen Raum für ein grundlegendes Ereignis der Politik
halte, dann muß daraus geschlossen werden, daß ich eine Protestbewegung, die auf
Straßen geht, sehr begrüße.
Kann dabei ebenso theorie- wie ideologiefrei agiert werden.
Kaum! Auch ohne elaboriertes Grundsatzpapier agieren wir doch ziemlich theoriegeleitet. Es
ereignet sich bloß oft sehr banal, so daß man es nicht gleich merkt. Ein Beispiel:
Es hat mich eben ein "Journalist und
Mediengestalter", ein Mann mit auffallender Beißfreudigkeit, im Web zwo zum
Staunen gebracht, indem er notierte: "sind dieser regierung die familien in
diesem land egal.fmilien sind der grundstock eines staates."
Woher hat er das bloß? Und welche ideologische Position
drückt das aus? Also eigentlich: Was meint der Mann denn mit "Familie"? (Erst
beißen, dann denken?) Die Basis eines Staates wäre in unserer Ideengeschichte und Kultur
wohl vor allem einmal die freie Bürgerin, der freie Bürger.
Der Artikel 1 unserer
Bundesverfassung besagt: "Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht
geht vom Volk aus." [link]
Was ist denn das Volk? Na, mutmaßlich die Summe der Bürgerinnen und Bürger.
Das Wort Familie kommt in diesem Gesetz dreimal vor,
betrifft dabei aber einmal indirekt das Haus Habsburg: "Ausgeschlossen von der
Wählbarkeit sind Mitglieder regierender Häuser oder solcher Familien, die ehemals
regiert haben."
Die beiden anderen Vorkommnisse, in Artikel 10 und Artikel
102, beziehen sich auf familiäre Angelegenheiten und nicht auf die Frage, ob Familien ein
"Grundstock" des Staates oder, auch sehr populär: seine "kleinste
Zelle" sind. Das ist bloß Ideologie und ein Vorwand für das Heiraten. |