23. Mai 2011 Ich hab wieder zwei kuriose Begriffe heimgeschleppt. Ich neige nun dazu, eine
kleine Kollektion aufzubauen. Vorerst verzichte ich auf Deutungen und beschränke mich auf
das Staunen:
+) Verweilqualität
+) Hühnerprodukt
Ich ahne, es ereignet sich in unserer Kultur laufend eine
Art Brachialpoesie. Es liegt dem letztlich eine Art von Geschwätzigkeit zugrunde, so ein
Dauergeplapper der Wirtschaft, was auch diverse Banditen einschließt, die letztlich davon
ausgehen, daß Leute, die sich von ihnen abzocken lassen, gar nichts anderes verdient
haben.
Ich hab vor einigen Tagen eine höchst anregende Konferenz
sehr unterschiedlicher Kulturschaffender erlebt. Überwiegend sehr erfahrene Leute, die
jenseits des Landeszentrums, in der sogenannten "Provinz", um Boden für ein
zeitgemäßes Kulturgeschehen, und da vor allem für die Gegenwartskunst, ringen.
Mich freut vor allem auch der grimmige Witz, den ich bei
einigen altgedienten Leuten finde. Es ist ja relativ fad, auf den Stand der Dinge bloß
mit Verzweiflung zu reagieren. Ich schätze zwar die Momente, wo mir klar wird, das wäre
jetzt der beste Moment, um in Panik auszubrechen, und ich mag dieses verrückte
Kräftespiel, das mich in solchen Momenten durch irgendwelche Passagen schmeißt. Aber
dann sollten ja auch wieder Abschnitte erreichbar sein, in denen wir unsere
Angelegenheiten ordnen und vor allem dem wachsenden, langsam umfassenden Versagen alter
Funktionärsherrlichkeit etwas entgegenstellen.
Übrigens: Wir haben auf unserem Terrain ein markant hohes
Aufkommen von Frauen, die so manchen Laden lebhaft schupfen. Hier von links unsere
Konsulentin in Fragen der Gegenwartskunst, Mirjana Peitler-Selakov, Maren Richter, die
künstlerische Leiterin der "regionale 12", und Sandra Kocuvan, im Land
Steiermark zuständig für Film und für das regionale Kulturgeschehen.
Wir hatten einige heftige Debatten, an deren Rändern auch
einigermaßen deutlich wurde, daß "draußen", in den "Regionen", daß
also jenseits des Landeszentrums so mancher Hut brennt. Das hat übrigens seine
europaweiten Entsprechungen. Ich fand bemerkenswert, daß sich ferner einiger
Klärungsbedarf zeigte, was denn nun die "Creative Industries" von der
Kunst unterscheiden würde. Nicht lachen! Daran müssen wir arbeiten. Das zu klären
sollte uns gelingen.
Überdies:
Vielleicht wäre es an der Zeit, im Kulturbereich ein "Büro für Klartext" einzurichten.
Ich bin der Euphemismen müde, ich möchte meine Ohren von zeitgeistigem
Lebensberatungsjargon freikriegen.
Das anschwellende Geplapper all der vormaligen
Kulturmanagementkurszöglinge ist längst so laut geworden, daß ich mich an manchen Orten
selbst nicht mehr denken hören kann. Diverse Propagandaabteilungen lassen brave Leute in
gebügelter Garderobe von "Tradition" daherreden, in einer Auffassung von
"Traditionen", die komischerweise alles ausblendet, was die Sozialgeschichte uns
erzählt. (Dann müßte wir ja einen Blick auf den Dreck an den nackten Füßen jener
Keuschler- und Dienstbotenkinder werfen, welche wir selbst grade noch gewesen sind.)
Ich erwarte, daß
Kulturschaffende in meinem Metier ebenso gewillt wie in der Lage sind, dem
allösterreichischen Sytem der permanenten Phrasendreschmaschinen einige Stecker
herauszuziehen. |