15. Mai 2011

Man hat mir den Regen vorausgesagt und ich hab es natürlich nicht geglaubt. Als wäre die Wettervorhersage dem Verlauf einiger Tage kaum gewachsen. Kober hatte das gestrige Indoor-Radrennen in einem Keller abgewickelt.

Strassegger hatte den Samstag mit Aufräumereien verbracht, weil heute steiermarkweit ein Tag der offenen Ateliers gehalten wird. Er hatte sich, nein, mich gefragt, wie lange ich wohl in kurzen Hosen durchhalten würde. (Na, das geht schon noch!)

Ich hab gestern den Tag mit meiner Buchhaltung verbracht, was zu den beunruhigendsten Momenten geführt hat, die ich noch nicht los bin. Davon muß ich mich erst erholen.

Um zwischendurch der Sinnhaftigkeit zu entkommen, war ich mit der Nase von Frank Zappa beschäftigt, die man aus Papier ausschneiden und hinkleben kann, wo es einem beliebt. [Quelle]

Ich hab ein Faible für Ausschneidebögen. Das weist nicht auf besondere handwerkliche Talente hin. Sie gefallen mir als Flachware.

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Die Befassung mit derlei Nebensächlichkeiten tröstet mich ein wenig darüber hinweg, daß ich mir nach all den Jahren mein Dasein als Künstler eigentlich nicht leisten kann. Diese Notwendigkeit zu rühriger Unternehmerschaft sollte sich ja wenigstens auf ein Feld der Professionalität beziehen können, wo gelegentlich klare Verhältnisse herrschen.

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Assoziativ... Ein Fundstück von Schlendereien in Graz. Ich lenke ab. Also! Kulturpolitische Diskurse, um Verhältnisse zu klären. Damit komme ich auch nicht voran. Nachfragen führt zu keinen Antworten. Ein Diskurs findet nicht statt. Soviel zu meinen Notizen im vorgestrigen Eintrag.

Wir sind offenbar so weit zum Teil der Spaßgesellschaft geworden, daß uns zwar aktionistische Vorbringungen gelingen, also Aufläufe und Slogans, aber es verebbt vermutlich. Kürzlich las ich zu einer Veranstaltung unter der Forderung, Kultur müsse sich lohnen:

>>Für wen Kultur sich eigentlich (noch) lohnt: Für die Allgemeinheit * JA. Für die Politik * JEDENFALLS! Aber für die Kulturschaffenden?<<

Ich komme nicht dahinter, mit welchem Kulturbegriff da operiert wird. Nun habe ich hier eingangs selbst davon erzählt, daß ich momentan im Gefühl lebe, ich könne mir das Künstlerdasein gar nicht leisten. Aber da wäre jetzt von mehr als bloß von Budgetkürzungen zu reden. Es geht auch um Steuermodelle, um Quoten bei der Sozialversicherung und davon, daß nach wie vor eine Studie über unsere soziale Lage in der Schublade der Bildungsministerin verrottet; eine Studie, die unsere prekäre Lage sehr detailliert darlegt.

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"Der Endbericht dieser Studie trägt das Publikationsdatum Oktober 2008." durfte ich in meinem Projekt-Logbuch vor Jahren notieren: [link] Am 29. Jänner 2009 hab ich außerdem hier zur Sache notiert: "Daß wir solche Probleme mit unzähligen Teilzeitkräften, vor allem schlecht bezahlten Frauen, teilen, scheint dabei nebensächlich, denn die Kunst ... Ist es das wirklich? Nebensächlich?" [Quelle]

Die Verknüpfung unserer Anliegen mit denen aus anderen sozialen Sektoren wäre ja schon lange naheliegend. So hätten wir uns beispielsweise 2009 mit Supermarktkassierinnen solidarisieren und gemeinsam auf einen Weg machen können. Mich läßt sehr skeptisch sein, daß es sowas nicht gewesen ist, aber nun ein gemeinsamer Gang mit Behinderten auf dem Programm steht. Als praktizierender Krüppel sehe ich das mit große Vorbehalten.

Es sind überdies solche Meldungen, die mich dabei beunruhigen: "Wir sammeln Ideen, treffen uns, planen Großkunstaktionen und verbreiten unsere Protestkunst!" Finde ich also an der einen Ecke einen bloß diffusen Kulturbegriff, so finde ich hier einen geradezu abschreckenden Kunstbegriff. "Protestkunst". Ich komm einfach nicht drauf, wovon der Mensch da redet. Krüppel und Protestkunst? Rollstuhl und Staffelei? Das ist ja eine richtige Heinz Conrads-Nummer.

Ich möchte es hemdsärmelig und möglichst unmißverständlich ausdrücken:
Ich scheiße auf Eure Ästhetisierung meines gehabten Scheckens! Was für eine Zumutung, daß mir hier die Idee von „Protestkunst“ vorgehampelt wird, die dann auch gleich „Großkunst“ oder eine große Kunstaktion sein will, bei all den schlampigen Formulierungen wird mir das nicht klar.

Ich verbitte mir ein buntgefiedertes Gehampel, das meine Versehrtheit und die anderer zum Anlaß nimmt, jene Federn zu spreizen, welche vermutlich nicht als Einziges den Blick so launiger Akteurinnen und Akteure auf das verstellen, was uns trennt: Die Ursachen und die Folgen des Schreckens, den ich angedeutet habe.

Das war der "Szene" all die Jahre wurscht; warum und wodurch wäre es nun Anlaß zur "Solidarität"? Das kauf ich Euch nicht ab!

Diese Überwältigung, wenn sie sich nicht abwenden ließ, die jede und jeden an einen anderen Platz in der Welt rückt, drängt; einen also ver-rückt, wie ich es selbst erfahren habe, übrigens, charmanter Zufall, dieser Unfall, gestern auf den Tag genau vor 19 Jahren, diese Überwältigung hat Folgen, in denen man durchaus Solidarität brauchen könnte, mindestens Achtsamkeit und so manches Entgegenkommen.

Wenn eine Gewalt von außen einem Stücke aus dem Leib reißt, wenn eine Gewalt von innen einem Teile des Leibes lähmt, wenn solche und ähnliche Ereignisse geschehen, ist das keine Pausennummer im Varieté einer Spaßgesellschaft.

Da werde ich mir liebe die Nase von Frank Zappa ankleben und finster dreinschauen und vielleicht aus Protest so lange die Luft anhalten, bis ich umfalle.

"Zur sozialen Lage der Künstler und Künstlerinnen in Österreich"
[link]

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