6. Mai 2011 Oh! Mir rennen ja die Tage davon. Zumindest im Tagebuch. Eine Tage-Bruch,
gewissermaßen. Das Schreiben beansprucht Zeit und Bedingungen. Stückwerk läßt das
alles auseinanderfallen. Und da wäre auch meine Sehnsucht, mich nun einmal ein Weilchen
bloß mit sehr trivialen Angelegenheiten zu befassen.
Zum Beispiel, daß auf einem meiner Wege dieser 1940er-Jahre
Buick Eight herumstand. Eine riesige Fuhre. Das lief damals in den USA als "Sport
Coupe". Staunenswertes Artefakt einer versunkenen Welt.
USA. Ja. Ich bin grade beschäftigt, Schelte zu
verarbeiten. Ich werde von einigen Seiten ermahnt, doch zu bedenken, wer eigentlich Osama
bin Laden gewesen sei und was er bewirkt habe. Halten zu Gnaden, davon habe ich durchaus
eine wenigstens kursorische Vorstellung. Ich hab hier grade nachgeschlagen. Eine meiner
Notizen zu solchen Zusammenhängen stammt vom 25. Februar 2005:
>>Als die Hisbollahis im Libanon die
"menschliche Bombe" als preisgünstige und effiziente Waffe eingeführt haben,
war es das hochgerüstete Amerika, das sich GEGEN den dringenden Rat vor Ort tätiger
Offiziere aus dem Beobachter-Status plötzlich in einen Akteur wandelte. Und ... sich auf
unsinnigste Art in einen ohnehin schon extremen / extrem komplizierten Konflikt
eingemischt hat.<<
Das bezog sich auf Vorkommnisse im Oktober 1983. Wir haben
also inzwischen rund 30 jahre Erfahrung mit amerikanischen Interventionen, terroristischen
Racheaktionen, amerikanischen Interventionen, terroristischen Racheaktionen, dazwischen
vermutlich auch allerhand terroristische Initialakte und so weiter und so fort.
Nun hat eine staatliche legitimierte Todesschwadron Osama
bin Laden hingerichtet. Die heutige Informationslage besagt, er war zu dem Zeitpunkt kein
Kombattant, nicht einmal ein bewaffneter Gangster, der zu schießen begann, es scheint
sogar Hinweise zu geben, daß er als unbewaffneter Gefangener erschossen wurde.
Nein, sein Tod geht mir nicht nahe. Aber den Modus finde
ich erschreckend. Und allerhand Debatten, die mich gerade erreichen. In meiner Umgebung
werden immer wieder -- anlaßbezogen -- Grundlagen unserer Demokratie und der Republik in
Frage gestellt. Das Ringen um unser Rechts- und Kulturgut, welches wir dem Prinzip
"Recht statt Rache" gewidmet haben steht keineswegs außer Diskussion.
Gut, das gehört eben auch zum Wesen einer Demokratie, daß
wir unsere Grundsätze immer wieder in Frage stellen. Ich neige ja zur Ansicht, die
Obama-Administration hat sich vor allem einen innenpolitischen Gefallen gegönnt, Osama zu
einem Zeitpunkt ermorden zu lassen, da die arabische Welt gerade in mehreren Ländern
großen Opfermut von Bürgerinnen und Bürgern, die sich gegen Tyrannen erheben,
beobachten darf.
Worum geht es mir? Die "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte"
besagt unter anderem:
+) Artikel 5
Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung
oder Strafe unterworfen werden.
+) Artikel 6
Jeder hat das Recht, überall als rechtsfähig anerkannt zu werden.
+) Artikel 7
Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Unterschied Anspruch auf gleichen
Schutz durch das Gesetz. Alle haben Anspruch auf gleichen Schutz gegen jede
Diskriminierung, die gegen diese Erklärung verstößt, und gegen jede Aufhetzung zu einer
derartigen Diskriminierung.
[Quelle]
Das Bundesverfassungsgesetz
Österreichs besagt: "Artikel 85. Die Todesstrafe ist abgeschafft."
Ich möchte davon ausgehen, daß wir auch Vorkommnisse in anderen Ländern vom Boden
dieser zivilisatorischen Position aus debattieren. Es ist ein dummer Affront, wenn ich mir
eine anrüchige "Sympathie für Täter" unterstellen lasen muß, weil ich solche
Grundsätze unseres Rechtsstaates befürworte und für unverbrüchlich halte. Wenn Völker
übereingekommen sind, die Würde des Menschen se UNTEILBAR, dann bedeutet das, sie kann
und darf auch einem Osama nicht abgesprochen werden. (Welchen Teil von
"unteilbar" haben Sie nun nicht verstanden?)
Ich darf vielleicht auch daran erinnern, daß unsere Leute
in der Nazi-Ära erprobt haben, wohin es führt, wenn sich etwa die Justiz korrumpieren
läßt und plötzlich ein "Volksgerichtshof" alle errungenen Rechtsgrundsätze
ignoriert. Dann kann es nämlich früher oder später jeden treffen. Das haben wir
geklärt, da sind keine neuen Experimente nötig. Publizist Gregor Mayer hat in unserer
Debatte eine sehr anregende Bemerkung gemacht:
>>ich glaube, dass ein rechtsstaatlicher umgang mit
diesen brüdern ein zeichen der stärke wäre. auch für die nazis hat man ein nürnberg
gemacht, und selbst die israelis haben eichmann am ende der jagd nicht erschossen, sondern
vor gericht gestellt.<< |