26. April 2011 Gerade noch ein fast sommerlicher Hitzeschub, plötzlich der Regen,
in dem sich alles so massiv abgekühlt hat. Nein, kein Einwand. Ich finde es sehr
reizvoll, draußen gelegentlich den Kontrast so unterschiedlicher Wetterlagen zu spüren
und ... zu riechen.
Auf einer meiner Strecken ist diese kuriose Markierung
angebracht. Ich durchstreife die Umgebung von Gleisdorf oft in der Ambition, die Gegend
"lesen" zu können. Welche Geschichten mögen in solchen Markierungen
ausgedrückt sein?
Um das oben gezeigte Haus zu erreichen, bin ich
beispielsweise ein längeres Stück den Bahndamm entlanggegangen. Was muß es einst an den
Bauern bewirkt haben, als seinerzeit die Eisenbahn erst neu das Land durchzog und
plötzlich Massen von billigem Getreide aus Ungarn in der Region verfügbar wurde, was die
Preise für heimische Produzenten in den Keller schaffte?
Wir haben offenbar keine kollektiven Kenntnisse mehr, wie
man in solchen Umbruchssituationen besteht. Diese Erfahrungen, die später in Variationen
neu zu machen waren, sind anscheinend verloren gegangen. Ich denke das, weil etwa gerade
jetzt brutale Einsparungsschritte am Budget des Landes Steiermark einige gesellschaftliche
Bereiche enorm unter Druck gebracht haben; der Kulturbereich gehört dazu. Ich finde kaum
andere Reaktionen darauf als Entrüstung, die sich auf verschiedenen medialen Wegen Luft
macht.
Mir erscheint das fast als eine etwas antiquierte Pose.
Aber diese Woche werden wir alle ein paar wichtige Erfahrungen reicher werden, das
zeichnet sich schon ab. Ich kann es kaum erwarten zu sehen, wo wir in der Sache stehen.
Mein Verdacht handelt vom Auseinanderfallen zweier
Sphären, die eigentlich so zusammengehören, daß sie einander bedingen.
"Polis" und "Politiké", die zwei fundamentalen Elemente von
"Politik", scheinen brauchbare Kommunikationsverbindungen weitgehend verloren zu
haben. Ich meine das "Gemeinwesen", also die Zivilgesellschaft, und die
"Staatskunst", also die Profis der Politik. Das Volk und seine gewählte
Vertretung. Erst wo beides sinnvoll zusammenwirkt, entsteht POLITIK.
Ich habe auch bevorzugte Annahmen, warum es zu diesem
"Auseinanderbrechen" der zwei Sphären gekommen ist. Da wäre seitens der
"Polis" ein eklatanter Mangel an Vorstellungen, was es konkret bedeutet und
verlangt, ein politisches Wesen, politisch anwesende Bürgerinnen und Bürger zu sein. Dem
steht seitens der "Politiké" ein rasender Verlust an Problemlösungskompetenzen
gegenüber. Kurz, ein großer Teil des politischen Personals ist der Gegenwart nicht
gewachsen, hat den Lauf der Dinge schon vor einer Weile verschnarcht.
Woran erkennt man das? Am Rechtsruck in Europa. Die aktuell
beliebtestes Form einer auf Politik bezogenen
"Inkompetenzkompensationskompetenz" ist dieser vaterländische Erregungszustand,
wie ihn bei uns etwa Hace Strache exemplarisch verkörpert.
Diese Leute sind noch nicht einmal in der Lage, einen
präzisen Befund unserer Probleme zu erstellen, weshalb sie überwiegend an
Scheinproblemen herumdoktern, unterm Strich aber mit ziemlich attraktiven Heilsversprechen
agieren, die schon deshalb nie greifbar werden können, weil sie die falschen Antworten
auf irrationale Problembeschreibungen sind.
Wo nun reale Probleme einer Gesellschaft mangels
Kompetenzen nicht gelöst werden können, haben wir dann beispielsweise auf einmal jenen
"Budget-Pragmatismus", der gerade im steirischen Landtag zur Tat schreitet.
Wir werden es nicht lösen, indem wir den Ratlosen
Inkompetenz vorwerfen, egal wie laut diese Schelte vorgebracht werden. Ich sehe nur den
Weg, daß wir Strategien entwerfen und Modi erproben müssen, damit "Polis" und
"Politiké" wieder zusammenfinden und in einer wechselseitig wahrgenommenen
Verantwortung gemeinsam "Politik" generieren. Und das wird nicht schlagartig zu
erledigen sein, das handelt von komplexen Prozessen, die Zeit und Engagement verlangen. |