25. April 2011 Das Wetter läßt die Schätze aus den Garagen kommen. Als ich ein
Bub war, hatten Strand- Buggies erheblichen Rang in unseren Phantasien. Später kam
ideologischer Farbton in die Sache: Wie merkwürdig, daß Amerikas Jugend so auf die
Nazi-Kiste abfuhr. Zur Erinnerung: Porsche hatte den "Käfer" nach Vorgaben
Hitlers konstruiert, der Name "Volkswagen" ist geblieben, obwohl das Volk
seinerzeit um den Wagen betrogen wurde und die vielen Anzahlungen dafür den Bach
runtergingen.
Das ist ein Manx-Buggy mit 411er Motor. Zwei Arten
Kunststoff-Geräte waren seinerzeit maßgeblich und stilbildend. Meyers Manx aus
Amerika und die deutschen Karmann- Buggies, wobei Meyers den Anspruch erhebt,
diese Linie erfunden zu haben. Naja, wenn man den legendären Schwimmer der Nazi gesehen
hat, weiß man was über die Zusammenhänge von Vorleistungen und Ergebnissen:
Den hatte ich vor Jahren während einer kleinen
Motorradtour erwischt und durfte mich glücklich schätzen, weil von diesem Fabeltier aus
dem Zweiten Weltkrieg kaum welche erhalten geblieben sind. Meiner Einschätzung nach der
genuine Vorreiter der Beach-Buggies. Man könnte auch sagen, Amerikas Hippie-Kultur hat
die Faschisten-Wanne sozusagen zum Spaßgerät gewendet. Diese Vorstellung finde ich sehr
lustig.
Danach bin ich in Sommerkleidung über die Felder gezogen,
leichtsinnig, weil ich vorher hätte an Sonnenschutz denken sollen. Als meine Haut
endliche brannte, zogen sich Wolken zusammen und der Heimweg wurde mir durch Regen
gekühlt. Man muß mit dem Wünschen vorsichtig sein.
Unterwegs sah ich, was das Wetter an Eisenbahnschwellen zu
bewirken vermag, wenn es dazu nur lange genug Gelegenheit hat. Eine interessante Arbeit,
möchte einem durch den Kopf gehen, noch dazu von reiner Zweckgebundenheit initiiert. Also
entsteht das "Werk" in meinem Kopf, ein reiner Deutungsakt. Oder aber die
Fotografie repräsentiert etwas, das die Bahnschwelle nicht ist.
Merken Sie es? Wir könnten jetzt über Kunst sprechen. Tut
man das? Über Kunst spricht man doch nicht! Komische Prüderie! Ich begegne weit öfter
verschiedenen Zoten und Anzüglichkeiten als nachvollziehbaren Äußerungen über Kunst.
Ich denke, wir haben inzwischen einige Probleme, nötige
kulturpolitische Debatten zu führen, weil wir meist nicht über Kunst sprechen wollen.
Manche schon, auch aus unseren Reihen, die rennen und ringen um Definitionsmacht, aber
zuweilen mit offenbar dubiosen Intentionen.
Ich hab eben im Webzwo-Bereich bei Künstlerin Eva Ursprung
einen gespenstischen Gast erlebt, den kenne ich schon, der inszeniert gerne Bohéme wie
vor 50 Jahren und malt gerne auf eine Art, die vor 60 bis 70 Jahren zeitgemäß war. Er
verdient sein Geld als Werbetexter, denn der Kunstmarkt bekommt in Österreich kaum
Kunstschaffende quer durchs Jahr satt.
Viele von uns verdienen sich ihr Brot nicht mit
künstlerischer Arbeit. Das ist ganz normal und war auch in früheren Jahrzehnten wie
Jahrhunderten kaum anderes, war nur wenigen anders möglich. Nun schrieb der Gespenstische
in einem langen Textchen voller Schelte für Kunstschaffende unter anderem das:
>>... dann
müsste man wohl oder übel feststellen, dass viele die da mittun, bloß schlecht
bezahlte Staatsdiener sind und einige, die sich eine zwitterhafte Existenz, oszillierend
zwischen Kulturbeamter, Künstler und Kurator geschaffen haben, die lukrativste Form der
lustvoll empfundenen Selbstentfremdung gefunden haben.<<
Das ist ganz offensichtlich nicht als Kompliment gemeint.
Aber was hat es mit der Kunst zu tun? Gar nichts! Denn wie und womit man sein Bot
verdient, ergibt eine soziale Kategorie, keine Kategorie der Kunst. Daß man im Broterwerb
vielleicht auch noch ein Beamter ist, sagt nichts über künstlerische Fertigkeiten eines
Menschen.
Ein paar exponierte Beispiele aus der Literatur: Goethe war
im Staatsdienst tätig, Kafka bei einer Versicherung angestellt, Fernando Pessoa bei einem
Handelshaus. Wen schert's? Die Kombination Künstler-Kurator halte ich dann schon für
etwas problematisch, aber das ist vielleicht eine temporäre Erscheinung, wird wieder
verschwinden, um irgendwann wieder aufzutauchen; was weiß ich? Solche temporären
Phänomene sind nicht wirklich der Rede wert.
Wer keinem "bürgerlichen Beruf" nachgeht, wird
sich vielleicht einem Galeristen oder einer Agentin verpflichten müssen. Man kann es auch
wie ich machen und ein Leben in großer Unsicherheit führen, was verlangt, seine
Geschäfte stets neu zu erfinden, um die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge vom
jeweils schon vergangenen Jahr abzahlen zu können.
Oder man könnte so anspruchslos leben wie ein Eremit im
Wald, was freilich nicht meine bevorzugte Option ist. Dann bliebe freilich noch, reiche
Eltern zu haben, eventuell ein gutgestellter Erbe zu sein. Ja, das wären feine
Dispositionen, um als Kunstschasffender edel, unabhängig und lauter zu arbeiten.
Wirklich? Kleiner Scherz! Das ist doch Firlefanz. Welche Potenzphantasien stecken hinter
solchen Skizzen?
Ich denke, der "edle Freischaffende" ist ein
ebenso anrüchiges Phantasma wie der "edle Wilde". Diese Art feuchter Träume
sagt mehr über die Träumenden als über die Traumfiguren. Unterm Strich bleiben
Kunstschaffende auf höchst unterschiedliche Arten und wenn sich dabei eine Sorte der
anderen überlegen fühlen möchte, ist meines erachtens ein Stück zeitgemäßer
Verwertungslogik umgesetzt, die mich aus solchen Kreisen sofort vertreibt.
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