18. April 2011

Vorgestern habe ich eher rhetorisch gefragt: "Wozu Kunst? Wozu Wahrnehmungserfahrungen? Wozu Reflexion?" Und vermutlich ist es ein Anflug von Nostalgie, wenn ich es traurig finde, daß ein Sozialdemokrat im letzten Gemeinderatswahlkampf Gleisdorfs sich explizit für Kürzungen im Kunstbereich ausgesprochen hat, ohne auch nur einen einzigen nachvollziehbaren Grund dafür nennen zu können. (Als gewesener Lehrbub erinnere ich mich ganz gut daran, daß "Sozialdemokratie" einst mit Wissensdrang und Bildungshunger assoziiert werden durfte.)

log1715a.jpg (21891 Byte)

Immerhin gab es in dem Kampagnen-Beitrag eine Andeutung, weshalb der Kunst Gelder gestrichen werden sollten. Das Geld fehle an anderer Stelle, weil uns auffallen könnte, daß einige Mitbürger finanziell schlecht gestellt seien.

Das Abstruse an der Pose des Lokalpolitikers liegt in der Tatsache, daß er von dort aus umverteilen möchte, wo kaum etwas zu holen ist, denn das Kunstfeld ist in Österreich bekannt schlecht finanziert und die soziale Lage Kunstschaffender Österreichs darf als eher katastrophal bezeichnet werden; das weiß sogar die SPÖ-Kulturministerin aufgrund einer von ihr beauftragten Studie.

Siehe dazu beim "bm:uk"
"Zur sozialen Lage der Künstler und Künstlerinnen in Österreich "
[link]

Nun müßte sich der Sozi politisch mit ganz anderen Kalibern anlegen, wenn er nachschauen wollte, wessen Kassen auf Kosten der Allgemeinheit recht vorteilhaft gefüllt sind. Ich will hier augenblicklich nicht meine/unsere soziale Lage behandeln, jene, der Kunstschaffenden, sondern die Kuriosität beleuchten, daß (Lokal-) Politik sich heute offenbar in solchen Karaoke-Akten erschöpfen darf, in denen eine wenigstens kursorische Vorstellung von realen sozialen Themen- und Problemstellungen gar nicht mehr vorkommt.

Das bedeutet womöglich auch, ein politisches Amt darf ohne Wahrnehmung der gesellschaftlichen Realitäten und ohne Sachkenntnis vollzogen werden. Ich würde es für nutzlos halten, das zu beklagen. Wir Kunst- und Kulturschaffende erfahren dadurch vor allem, daß es in Sachen Meinungsbildung für uns einiges zu tun gibt, weil die Kommunen diesbezüglich Defizite haben. Das zu bearbeiten, nach Kräften zu beheben, wird uns voraussichtlich niemand abnehmen.

kup.gif (410 Byte)

Ich habe mich heute selbst in einer recht antiquierten Pose geübt. Zeitunglesen unterm Spazierengehen, während ich von radfahrenden und auf andere Weisen schnelle Menschen umgeben war. Das ist eine Situation, wie sie vor rund hundert Jahren in unseren Städten vorherrschte, als die Automobile aufkamen und sich recht ruppig gegenüber den schon gut eingeführten Völkchen der Straßen durchsetzten: Fuhrwerke, Straßenbahnen, Fahrräder und Schuhwerk hatten dominiert, bevor der Autoverkehr alles zu verdrängen begann.

log1715b.jpg (22443 Byte)

Vor rund hundert Jahren sah sich die Behörde veranlaßt, den Menschen das Zeitunglesen unterm Gehen zu verbieten, weil man so zu leicht in ein Auto rennen konnte. Derartige Vorfälle haben gelegentlich dazu geführt, daß die langsameren Völkchen einen Unfallenker vom Fahrzeug zerrten und totschlugen. Das ist freilich, weil absolut ungehörig, längst aus der Mode gekommen.

Das Gehen, Schlendern, das Flanieren schafft mir stets Erleichterung, wenn ich durch zu hohe Komplexität von Angelegenheiten einen Denkkrampf bekomme und den Überblick verliere; oder aber, wo Überblick nachrangig ist, den Denkfluß einbüße, der mit Freude macht, um in Themen herumzuwühlen.

log1715c.jpg (21859 Byte)

Der Slogan "Freie Fahrt für freie Bürger" hat mutmaßlich immer den Automobilismus gemeint, deren Proponentinnen und Akteure in Österreich einst "Autler" genannt wurden. Der "Wackeldackel", wie Emil Gruber hier einen küßt, war in den 1970ern das emblematischer Haustier der "Autler", stets auf der Hutablage des "Bürgerkäfigs" zu Hause; mitunter in freundlicher Nachbarschaft der Klopapierrollen, die mit Strickware in Form eines Hutes umgarnt wurden.

Das sind Zusammenhänge, denen wir uns -- unter anderem -- beim "Kuratorium für triviale Mythen" widmen. Gruber, Franz Sattler (auf dem unteren Foto) und ich haben einige Aspekte dessen in die Ausstellung "wheels" gepackt, die nun noch ein Weilchen im Gemeindezentrum von Albersdorf-Prebuch zu sehen ist: [link]

log1715d.jpg (20818 Byte)

[april-festival 2011]

 

[kontakt] [reset] [krusche]
16•11