5. April 2011 Ich hab so meine Strecken. Und gelegentlich finde ich neue Abschnitte, die mich
reizen. Mit halblanger Hose und festem Schuhwerk über staubigen Boden. Ich sehe mir
montan vorzugsweise unspektakuläre Winkel der agrarischen Welt an. Wie zeigen sich jene
Teile, die mutmaßlich nicht als großes Business funktionierten? Welche grundlegenden
Formationen sind sichtbar, wie sie eventuell auch strukturelle Umbrüche überdauern
würden? Oder verschwindet all das?
Und dann fand ich diesen amerikanischen Armeelastwagen aus
den 1940er-Jahren; eigentlich fand ich ihn wieder, denn es muß das Fahrzeug
sein, welches ich schon als Kind auf dieser Strecke gesehen hatte. Ein "Jimmy",
genauer: ein 2,5-Tonner von GMC (General Motors Company). Dieser "CCKW"
war den Amerikanern ein Stück logistische Basis im Vormarsch gegen die Nazi-Horden.
Über viele Generationen waren die meisten von uns
Dienstboten- und Keuschlerkinder. Seit jenem Zweiten Weltkrieg haben sich in kurzem
Zeitraum Veränderungsschübe ereignet, die eine völlig neue Situation schufen. Das sind
sozialgeschichtliche Rahmenbedingungen für unser aktuelles kulturelles Engagement. (Siehe
dazu auch: "wie einiges zusammenhängt"!)
Bei all dem bin ich ja nicht gerade ein avancierter
Naturliebhaber. Ich hocke sehr gerne in meinem Büro, um da an Vorhaben zu arbeiten. Doch
wenn ich rausgehe und meine Strecke finde, dann macht es mir große Freude, in einen
anderen Rhythmus zu kommen, Dinge zu entdecken; und ohne Frage denkt es sich anders, wenn
man gehend denkt.
Sehr wesentlich beschäftigt und fasziniert mich an solchen
Gängen über Strecken, was sich dabei an Spuren von gelebtem Leben zeigt. Artefakte
erzählen von einem anderen Zustand. Anordnungen sind mitunter eingefrorene Ereignisse.
Das Hinterlassen. Das Vorfinden. Die Deutungsgeschäfte.
In all dem liegen auch Nachrichten darüber, was uns
bewegt, ausmacht. Und im Deuten des Vorgefundenen wie des Verborgenen läßt sich um
Boden, um Terrain für ein zeitgemäßes Kulturgeschehen ringen. Da gibt es momentan
nichts geschenkt.
Angelegentlich werde ich mit Sprüchen verwöhnt, die mir
zur Zeit ins Postfach flattern, wie etwa: "Wir wollen 100%ige Kunst nicht nur
75%ige". Da ahne ich dann, hier hat ein Teil der Community schon verspielt und
begonnen, sich selbst abzuschaffen, denn wenn DAS markiert, wo unsere kulturpolitischen
Diskurse stehen, wird mehr den Bach runtergehen, als sich momentan erahnen läßt.
Aber das macht mich keineswegs trübsinnig, denn sowas
besagt bloß, daß etwa eine Generation Kulturschaffender -- meine -- sich verausgabt hat
und kaum noch was bewirken wird, doch nächste Generationen werden mit Sicherheit ihre
Angelegenheiten verfolgen; auch im Kulturbereich. |