4. April 2011 Ich lebe in Gleisdorf. Diese kleine Stadt liegt in einer Gegend, die historisch
das Einfluß- und Wirkungsgebiet mehrerer Herrschaften war. Freiberg, Herberstein und
Schielleiten ... Ich habe mir bei unserem "Tag der agrarischen Welt"
von Sozialhistoriker Robert F. Hausmann gerade darlegen lassen, was einige Details des
Lebens der Leute ausgemacht hat.
Daß die Grundherrschaft gegenüber den Untertanen
Pflichten hatte, steht außer Frage. Aber man ließ sich das ja entsprechend umfassend
abgelten. Schloß Freiberg liegt in unmittelbarer Nähe von Gleisdorf. Während die Bauern
hier im Schnitt 6,7 Hektar Grund für sich nutzen durften, umfaßte der
"Maierhof" von Freiberg rund 130 Hektar, die von den Untertanen für den Adel
bewirtschaftet werden mußten; zusätzlich zu den Abgaben und Diensten, die sonst noch
anfielen. (Siehe dazu auch: "reflexionen"!)
Es ist ziemlich kurios, wie hoch die Stereotypen der
Aristokratie auf dem Boulevard gehandelt werden. Man verehrt, man verzehrt sich ... An den
klingenden Namen hängen oft harte Maßnahmen. Anfang des 16. Jahrhunderts gab es südlich
von Gleisdorf einen Bauernaufstand, weil die Lasten zu drückend geworden waren. Die
steirische Landeshauptmannschaft ließ diese Angelegenheit durch Feldhauptmann Georg von
Herberstein regeln. Nicht gerade zugunsten der breiten Bevölkerung, die nach der
Pestkrise erheblich dezimiert gewesen ist.
Als kurzzeitiger Sekretär von Heinz Boxan, dem vormaligen
Verwalter auf Gut Herberstein, habe ich erstaunliche Einblick erhalten, wie solches
herrschaftliches Gehabe bis in die nahe Gegenwart heraufreichen konnte und wie von
regionalen Honoratioren bis in die Grazer Burg Leute sich an die "Gräfin"
herangemacht haben, um ihr dienstbar zu sein.
Es ist nicht bloß Metapher, wenn ich konstatiere, daß so
manches Keuschlerkind über die Politik sich eine Position gestaltet hat, die als
"Aristokraten-Surrogat" daherkommt. Das ist alles, wie mir scheint, weder
mentalitätsgeschichtlich noch sozial noch politisch erledigt.
Was sich zur Zeit an Betrugs- und Korruptionssachen auf
hohem materiellen Niveau zeigt, haut in eben diese Kerbe. Anders ist es schwer erklärbar,
daß manch gut gestellte Leute ihren Rauchen kaum voll kriegen. Der Untertan in uns
scheint ein Bückling und Streber zu sein, manch einer gibt den radikalen Aufsteiger.
Während sich ein vormaliger Fußball-Promotor in den Tagen
seines Gerichtsverfahrens medial als "Zar" ausstellen läßt und mit seinem
Rolls Royce auf Ikone gemacht hat, halten andere Leute den Ball flacher. Zum Beispiel
jener Unbekannte, dessen Triumph Herald ich nahe der Autobahnauffahrt in Liebenau entdeckt
hatte.
Was für ein handliches, auch ansehnliches Maschinchen mit
Faltdach. Dieser 13/60 stammt aus den 1960er-Jahren, aus einer Ära, in der sich bestimmt
wenigstens 70 bis 80 Prozent dessen, was einem auf der Straße begegnete, auch auf
flüchtigen Blick identifizieren ließ. So klar geht es heute formal nicht mehr zur Sache
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