30. März 2011 Der Weg ZUM Zahnarzt und der Weg VOM Steuerberater; ich weiß, daß
ist jetzt nicht ganz fair arrangiert, denn beide Momente handeln gewöhnlich von
selbstgemachten Problemen. Ich hab eines vor, das andere hinter mir. Sowas geht nicht ohne
Konsequenzen über die Bühne.
Staunenswert und wissenswert erscheint mir, daß sich
unsere sozialen "Eliten" die Dinge recht nett geordnet haben. Ab einem
Jahreseinkommen von 60.000 Euro ist es der Republik einerlei, ob es bei jemandem auch
600.000 oder sechs Millionen pro Jahr werden, da tut sich am Steuersatz, also am Beitrag
für das Gemeinwesen, gar nichts:
+) bis 11.000 Euro: Keine Steuer
+) ab 11.000 bis 25.000 Euro: 36,500%
+) ab 25.000 bis 60.000 Euro: 43,214%
+) ab 60.000 Euro: 50,000%
So die Steuerreform von 2009, hier in einem PDF-Dokument
dargestellt: [link] Rechnet man ein, wie viel an Vermögen in den Händen ganz
Weniger verfügbar ist, erstaunt diese Gesetzgebung. Stichwort "Eliten"!
Vilfredo Pareto machte im 19. Jahrhundert mit seinen Untersuchungen in Italien
Geschichte.
Die "Pareto-Formel" handelt vom Umstand,
daß zu seiner Zeit das Vermögen so verteilt war, daß rund 20 Prozent der Familien über
80 Prozent des Volksvermögens verfügten. Einmal dürfen Sie raten, ob das heute, auch
bei uns, grundlegend anders ist.
Die Fahrt zur Klarheit über meine steuerliche Situation
hat mir gegen Ende erfreuliche Beute eingebracht. Nahe St. Margarethen ist dieser
Klassiker in Arbeit. Der Fiat 1500 aus den 1960er-Jahren steht vorne so hoch, weil
offenbar der Motor zur Überholung ausgebaut wurde. Gerade aus dieser Perspektive ist die
stilistische Verwandtschaft mit dem NSU Prinz überaus deutlich. Wie viele Autos kennen
wir heute, die man auf 30 Meter Entfernung sofort identifizieren könnte?
Zum Tagesausklang dann ein fulminanter Film und ein
ausführliches Gespräch mit der Regisseurin. Elisabeth Scharang (in der Mitte, zwischen
Wolfgang Seereiter und Kino-Promotorin Christina Seyfried) hat mit "Vielleicht in
einem anderen Leben" gezeigt, daß mitten im Trubel des aktuellen
Mainstream-Kinos noch ruhig und konzentriert erzählt werden kann, ohne daß man durch
eine diffuse Geschichte getrieben wird.
Es ist schon so ungewohnt, wenn einmal das Atmen der
Menschen das Tempo der Erzählung bestimmt und wenn jemand den Mumm hat, das Wortkarge,
wie es in solchen Situationen tonangebend sein mag, auch vorzuführen.
Ich hab erst einige Zeit hinterher kapiert, was sich in
solcher Erzählweise einlöst. Da gibt es zum Beispiel diese stillen Momente, in denen
sich gerade nicht der Film breit macht, sondern wo man mitten in der Geschichte bemerken
kann, was gerade in einem selbst vorgeht, was also die Film an einem bewirkt.
Es geht vordergründig um den Todesmarsch ungarischer
Juden, der gegen Ende des Zweiten Weltkrieges auch durch die Umgebung von Gleisdorf
geführt hat. Es geht vor allem aber darum, wie versehrbar wir sind und wie schnell
Achtlosigkeit tötet, während die Liebe auch Mut braucht.
Wolfgang Seereiter engagiert sich seit Jahren darum, die
Verknüpfung jener historisch belegten Vorgänge aus den letzten Kriegstagen mit der
Gegenwart sichtbar und begreiflich zu machen: [link] Das ist ein
Aspekt, den Scharang ebenso betont. Denn wenn die Menschenverachtung auch nur einen Fuß
breit Platz unter uns findet, müßte klar sein: Es ist nicht vorbei.
Das ist übrigens einer der Zusammenhänge, warum mich noch
beschäftigt, daß sich regionale Ortshonoratioren auf völlig irrationale Art für die
Todesstrafe exponieren können und so gut wie keinen öffentliche Widerspruch erleben.
(Siehe dazu die Notizen
unter "kunst.rasen"!)
Damit meine ich unter anderem, was mediengestütze
Öffentlichkeit erfährt, erzeugt damit eine Art von Legitimation, die nicht ignoriert
werden kann. Wenn also ein amtierender Bürgermeister sich mit Berufung auf
Meinungsfreiheit gegen einen breiten Konsens in unserer Kultur und Politik stellt, daß
nämlich selbst der Staat mit seinem Gewaltmonopol nicht befugt ist, Menschen zu töten,
dann müßte ja mindestens ebenso öffentlich darauf reagiert werden. Ich stelle fest:
Aber bei uns nicht ... |