25. März 2011 Nun also der Auftakt des "April-Festivals".
Ich bestaune diese Möglichkeiten, für einige Zeit so etwas wir kollektive Kreativität
zu bündeln und zu entfalten. Dabei diese unerbittliche Praxis des Kontrastes. Eben auch
harte Gegensätze ...
Lehrstücke auch in Fragen der Mentalität. Es ist ja ganz
erstaunlich, welche Unterschiede der Zugänge und Temperamente vereinbar erscheinen, wie
aber auch gelegentlich so manches hungrige Ego plötzlich expandiert, um sich ein
unverhälnismäßiges Stück aus dem Ganzen zu reißen. Lektionen!
Das Hauptereignis war freilich diese verblüffende Wirkung
einer kollektiven Anstrengung rund um auffallend viele sehr gute künstlerische Arbeiten;
und wie sich das einlöst. Die Dokumentation dazu geht hier online: [link]
Cut!
Was? Fraglos? Würde? (Quelle: "profil") Na, ich staune sehr. Woher
haben wir das, diesen Würde-Begriff? Und wäre es folglich würdelos, angesichts des
breiten Angebotes an tödlich Qualen in Panik zu verfallen? Erschlagen werden, ertrinken,
verbrannt werden oder über längere Zeit an der Strahlenkrankheit zu krepieren und so
weiter und so fort.
Was sind denn das für trübe Kategorien, nach denen da
Würde bemessen wird? Und was wissen wir über die sozialen Grundlagen dieses Verhaltens?
Ich kenne bloß einige maßgebliche japanische Filme, hab ein paar Werke der klassischen
und der gegenwärtigen Literatur Japans gelesen, diese Lektüre mit einigen Fachbüchern
über das Land und seine Geschichte hinterlegt.
Regisseur Akira Kurosawa beim Proben
einer Szene für den Film "Ran" ("Chaos")
Weiß ich deshalb mehr, als bloß die häufigsten
Srereotypen etwas abgeschwächt zu haben? Oberflächliches. Zum Beispiel: Wenn japanische
Menschen in Trauer gehen, tragen sie nicht Schwarz, wie wir das pflegen, sondern Weiß.
Das wäre jetzt bloß ein Staubkorn in den Sanddünen der japanischen Codes, die sich von
unseren ganz erheblich unterscheiden.
Eigentlich wissen wir gar nichts aus all dem Geschehenen,
außer vielleicht, daß man Atomkraftwerke nicht unter Kontrolle kriegt. Aber wir wußten
ohnehin vorher schon, daß man etwa den Atommüll nicht unter Kontrolle kriegt. Wir haben
daher im Grunde bloß neue, diesmal sehr massive Anregungen erhalten, darüber
nachzudenken, wie wir als Volk auf unsere Politik Einfluß nehmen können, damit
politischer Wille und Gesetzeslagen sich manifestieren, dank derer man großen Companies
in die Arme fallen kann, so sie gewinnträchtige Unternehmen starten, die Völker solchen
Risken aussetzen.
In Japans Trash-Ecken wimmelt es von
Supergefahren und Superhelden
Wir könnten das natürlich auch als Anlaß verstehen, den
eigenen, ganz individuellen Energie-Hunger zu reflektieren und zu vermindern.
Konsumverhalten bleibt ja ein wichtiges Instrument zur Steuerung solcher Kräftespiele.
Darin sind wir nie machtlos, das eigene Tun kann verändert werden.
Aber vor allem könnte es ein neuerlicher Anlaß sein, sich
damit zu befassen, daß in anderen Kulturkreisen, die uns fremd erscheinen, ja dennoch
etwas bewahrt ist, was auch uns ausmacht; nämlich: Der Unterschied. Wie sehr uns das
eigentlich verbinden könnte, wäre auf diese Weise erfahrbar, ohne daß wir Katastrophen
abwarten müßten, die uns rühren.
Anders ausgedrückt: Warum JETZT eine "Solidarität"
mit den Menschen in Japan und nicht schon seit Jahrzehnten? Mit ihnen und mit anderen,
also mit "Den Anderen", könnten wir uns laufernd verbunden fühlen.
Vor allem und gerade im Befremden, das ja stets ein anregender Zustand ist, solange man es
nicht als Vorwand für Feindseligkeit benutzt. Das wäre eine kulturelle und politische
Leistung, die im Laufe der Zeit Legionen von Menschenleben sichern könnte; jene Leben,
die dem krassen Gegenteil laufend zum Opfer fallen.
Sehe ich dazu nicht wenigstens Ansätze, wie soll ich dann
dieser aktuellen Erregung rund um Japan trauen? Und vor allem: Was soll ich ihr zutrauen? |