28. Februar 2011

Eine Route durch die verschneite Vojvodina, das kommt einer Meditationsübung gleich. Weite Flächen, die sich im weißen Nichts verlieren. Vielleicht auch: Reflexionszonen. Diese Arbeitstreffen in Serbien, die ausladenden Gespräche, so ergibt sich stets neu ein Anlaß, liebgewonnene Ansichten zu revidieren. Diesmal schien mir, daß dort alle nervöser waren als bisher. Vielleicht sind das Wellen in Prozessen der Orientierungsfindung. Vielleicht auch Einbrüche im Kräftespiel des Ringens um eine akzeptable Zukunft.

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Rasa war für das letzte Frühstück dieser Tage um Burek gegangen. Es endete ein weiterer Durchgang meiner "serbian lessons" in der "langsamstem Stadt des Balkans", wie der Literaturwissenschafter augenzwinkernd sagte.

Wie viele Jahre fühle ich mich nun mit den Leuten dieser Region vertraut? Und dennoch passieren mir Projektionen, die den Blick verstellen. Dazu paßt glänzend, daß mir auch gleich einige romantische Irrtümer bezüglich Bosnien abhanden kamen. Die Grazer Dissertation von Ivo Andric darf ich eine Weile zur Lektüre behalten.

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Es geht in dieser Arbeit um „Die Entwicklung des geistigen Lebens in Bosnien unter der Einwirkung der türkischen Herrschaft“. Das rückt einige zu freundliche Annahmen über die osmanische Okkupation gegenüber der christichen Conquista zurecht. Und es läßt erahnen, wie ausgesprochen kompliziert die Situation Bosniens offenbar seit Jahrhunderten ist.

Es scheint uns schwer zu fallen, "unser Europa" zu begreifen. Dieses kulturelle Wunderwerk der Vielfalt, der Kontraste, der Katastrophen. In einer ausufernden Geschwätzigkeit, zu der sich so viele durch Mainstream-Medienbetriebe verleiten lassen, versinken die Kontraste und die Wahrnehmung dessen, was vorzufinden wäre, verblaßt die Vorstellung davon, was uns hier eigentlich ausmacht ... Siehe dazu auch meine Notiz "über arsch und titten zur schnattergesellschaft" auf der Website von "kunst ost".

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Es bleibt freilich entscheidend, daß man längst erworbenes Wissen anwenden könnte und selbst das gelegentlich vergißt. So ist es mir eben wieder ergangen. Natürlich wissen wir, daß Menschen aus völlig anderen Lebenszusammenhängen, in einer völlig anderen mentalen Welt aufgewachsen, eben ... anders ticken. Und dann erwische ich mich dabei, erst mit Unmut, dann mit Staunen darauf zu reagieren, daß etliches, was ich für "selbstverständlich" halte, ihnen eben ganz und gar nicht selbstverständlich oder auch nur naheliegend ist.

Noch dazu, wo sich diese Post-Kriegs-Gesellschaft eben in einigen mühevollen Prozessen völlig erschöpft hat. Das ist nun zugleich auch alles sehr lehrreich für meine Rückreise. Denn im regionalen Kulturgeschehen habe ich mindestens diese Erfahrung immer wieder zu machen: Die Erfahrungs-Standards sind so unterschiedliche wie die Intentionen und die gewohnten Verfahrensweisen der Menschen.

Was sind in all dem nun angemessene Forderungen für ein Gemeinsames? Was muß an Spielraum für individuelle Lösungen bleiben? Ich sehe einmal mehr, daß ZEIT ein enorm wichtiger Faktor ist. Die Idee der "schnellen Lösungen" ergibt in sozialen und kulturellen Prozessen offenbar nur wenig Sinn.

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So kann es Stunden über die Tiefebene gehen. Und zwischendurch eine kleine Erinnerung daran, daß die meisten von uns noch vor zwei Generationen der agrarischen Welt angehört hätten, was für Leute wie mich sehr bescheidene Lebensbedingungen bereit hielt. Wie angenehm, vergessen zu dürfen, welche Mühen das eben noch bedeutet hätte.

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Ein anderer Aspekt solcher Zusammenhänge: Als "Automobil-Paparazzo" habe ich natürlich meine Freude, wenn ich solche Klassiker noch in freier Wildbahn erwischen kann. Der IFA W50 ist ein Fahrzeug aus der vormaligen DDR, das 1965 erstmals gebaut und bis 1990 gefertigt wurde.

Es fällt uns heute schwer, solche Verfahrensweisen nachzuvollziehen, wo wir daran gewöhnt wurden, daß Automobilhersteller jedes Jahr neue Modelle oder Modellvarianten in den Markt stanzen. Eine spezielle Blödheit, die uns der Lauf der Dinge vermutlich in absehbarer Zeit wieder abgewöhnen wird ...

 

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