20. Februar 2011 Im turbulenten und amüsanten Film "The Green Hornet"
sagt der Ober-Bösel Chudnovsky (Christoph Waltz) an einer Stelle: "Das Feuer
löscht das Wasser!" Diese Art Vulgärbuddhismus kann einem auch im
Alltag als einfacher Sinnspruch unterkommen. In meiner bevorzugten Gleisdorfer Pizzeria
hatten Gäste kürzlich gebeten, daß der Fernseher eingeschaltet würde, weil grade ein
Schirennen lief. Das ließ uns den Moderator unter anderem sagen hören: "Die
Piste war nicht mehr die Beste."
Sowas rührt dann schon an Werbeästhetik. Man erinnere
sich an den Slogan "Die Pute ist die Gute!" Das sind ja schon etwas
heruntergekommene Anbiederungen an versunkene bildungsbürgerliche Ideale. In gängigen
Polizeistreifen aus Übersee geht es vergleichsweise schnoddrig zur Sache, womit ich mir
die große Attraktivität dieser Filmkultur teilweise erkläre. Ich bin dafür selbst
höchst anfällig.
Dazu fällt mir ein Beispiel ein, dessen Quelle ich
vergessen hab. Eine Dialogsequenz: "Was ist, wenn es brennt?" "Das ist
gegen die Vorschrift!" So, das sind also auch für mich abendliche
Vergnügungen. Mit der feinen Differenz, daß ich vor allem den unerträglichen
Werbesendungen entkomme und mir mein Programm selbst mache, weil ich ohne TV-Gerät
auskomme. Ich schätze die Welt der DVDs mehr noch als ich Videocassetten geschätzt habe.
Ich liebe diese Zusatz-Features, Making-Ofs, Dokumentarfilmchen, die einem meistens
draufgepackt werden.
So oder so, im laufenden Vexierspiel zwischen trivialen und
anderen Positionen bleibt viel Spielraum für einen unruhigen Geist. Ich war eben erst,
wie schon notiert, ganz intensiv in eine ziemlich triviale Geschichte verwoben. Am 17.
Februar erging jenes Urteil zweiter Instanz, das die Strafe für Andrea Herberstein anhob,
jene für ihren vormaligen Verwalter Heinz Boxan bestätigte.
Ich hatte diesen Nachmittag, während die Verhandlung lief,
mit Boxan in jenem Extrazimmer des "Gasthof Wurm" verbracht, das uns
einige Zeit quasi als Büro gedient hatte. Die Wirtin, Frau Olga, hier im Gespräch mit
Boxan, ist selbst eine profunde Kennerin des Milieus all der kleinen Unternehmer und
Angestellten, die in den "Fall Herberstein" mehr oder weniger verwickelt waren.
In den Medien war die Sache bisher flott abgehandelt. Und
zwar hauptsächlich als Rührstück, in dem die "Drama-Queen" Herberstein
steinern blickt und herzerweichend schluchzt. Im "Kurier" wird die
Schmonzette so eingeleitet
>>Vor der Urteilsverkündung verlas die Frau von US-Bariton Thomas Hampson
vom Blatt eine Verteidigungsrede, in der sie sich als Zugpferd "für eine ganze
Region" präsentierte. 1,7 Millionen Besucher seien zum Wohl des Landes Steiermark
seit 2000 nach Herberstein geströmt, und nun halte man ihr vor, sie habe Millionen
verschwinden lassen.<< [Quelle]
Das ist natürlich groteskes Gerede, wenn man
beachtet, wie umfassend und weitreichend Malversationen in Herberstein stattgefunden
haben; übrigens auch schon längst bevor Andrea dort zu wirken begann. Worüber sollten
wir eigentlich reden?
Da geht es ja um Fragen, was zu tun sei, wenn etwa eine
Kommune längere Zeit "keine Arbeitsplätze zusammenbringt", wie das
manche Bürgermeister ausdrücken. Was also, wenn eine Gemeinde praktisch der einzige
Arbeitgeber im Ort ist? Was weiter, wenn ein strenger Winter dazu führt, daß eine
Gemeinde schon am Winterdienst fast pleite geht? Was also, wenn inzwischen kommunale
Aufgaben nicht mehr bewältigt werden können, weil die Kosten reale Möglichkeiten
übersteigen? Zugleich sträuben sich Orts-Chefs und -Chefinnen massiv gegen
Gemeindezusammenlegungen. Viele Orte sind übrigens heute noch in sich von Bruchlinien
gezeichnet, wo einstige Gemeindezusammenlegungen emotional offenbar selbst nach
Jahrzehnten unbewältigt scheinen.
All das ist inzwischen längst von einer neuen Landflucht
begleitet, deren Ausmaß und Intensität noch gar nicht breiter wahrgenommen und
debattiert wird. Vor diesen Hintergründen der wachsenden Probleme bei gleichzeitig
offenbar schwindender Problemlösungskompetenz unter vielen Funktionstragenden neigt die
Regionalpolitik an vielen Ecken und Enden zu einem effekthascherischen Aktionismus, in dem
oft kurzfristig viel Geld verheizt wird. Schnell, schnell! ist die Devise. Schnelle
Ergebnisse, auch wenn sie nur kurze Effekte generieren. Etwas "Knackiges" ...
Wir haben solche Fragen eben erst mit Gerald Gigler
debattiert. Gigler, oben auf dem Foto mit Kunsthistorikerin Mirjana Peitler-Selakov, ist
beim Land Steiermark der zuständige Referent für den LEADER-Bereich. Er kennt
solchen teuren Aktionismus, der dann sehr schnell verpufft, mehr als gründlich. Teure
"Action" ... für wen? In der "Wiener Zeitung" stand zu
lesen:
>>Sie
habe sich "sicher zu wenig um die tatsächlichen Abwicklungen" gekümmert, aber
sie habe "nie aus den Förderungen persönlichen Nutzen ziehen wollen." Unter
Tränen gab sie zu bedenken, dass das lange Verfahren das Vermögen ihrer Kinder wegen der
hohen Kosten weiter dezimiere.<< [Quelle]
Woraus sie persönlichen Nutzen gezogen HAT,
schildert das Buch von Heinz Boxan sehr anschaulich. Mich interessiert nun an der
Geschichte sehr viel mehr, wie in einer wachsend prekären Situation ländlicher Gemeinden
dann doch einzelne Menschen persönlichen Nutzen aus dem Lauf der Dinge ziehen, wobei eben
sehr leicht Netztwerke, Systeme entstehen, die genau das, den persönlichen Nutzen, als
öffentliches Wohl ausgeben.
Das fehlt mir in der allgemeinen Berichterstattung über
Andrea Herberstein bisher weitgehend. Da bilden sich Kumpaneien und Seilschaften von
Leuten, die glauben dann offenbar selbst schon, daß ihr eigennütziges Tun der
Allgemeinheit oder einer Region nützt; sie nehmen schließlich die selbst kreierten
Legenden als wahr an.
Das ist so, als würde man die Mafia begrüßen, denn ohne
Frage wird von solchen Banden organisierter Kriminalität manche Region mit
Arbeitsplätzen versorgt, blüht etwa das Baugeschäft oder das mit Sondermüll, floriert
auch der Frauenhandel, um unsere Bordelle zu bevölkern etc. Organisierte Kriminalität
funktioniert vorzugsweise als eine Ökonomie des Staates im Staate. (Das Tören von
Menschen zählt dabei nicht als Betriebsmittel, sondern eher als Betriebsunfall.)
So
schrieb etwa "stierwien" am 17.2.2011 21:00 auf die Website der "Krone":
>>Die gehässigen und zynischen Beiträge sind
erschreckend. Wenn man Gräfin Herberstein in den Knast schickt, sollte man zuerst die
vielen Drogendealer, Masseneinbrecher, Jugendbanden, Schläger und sonstige
Gewaltverbrecher für viele Jahre einsperren, die gefährden uns persönlich. Aber die
haben ja eine Gutmensch-Lobby. Wen trifft es denn wenn ein paar Steuergelder in die
falsche Richtung gehen? Und so schlecht ist ein Tierpark ja nicht.<<
Der Mensch versteh offensichtlich nicht, daß
die nun noch angehobene Strafe der Andrea Herberstein wohl ein deutlicher Beleg für
kriminelle Machenschaften ist, die den von "stierwien" genannten in nichts
nachstehen.
Ich finde es geradezu sensationell,
erschreckend sensationell, daß der Mensch konstatiert: "Wen trifft es denn wenn
ein paar Steuergelder in die falsche Richtung gehen?" Das ist ein Argument FÜR
die Mafia und GEGEN die Republik. Der Mensch kapiert überhaupt nicht, wie massiv uns
solche Haltungen gefährden. Darin sehe ich den eigentlichen Diskussionsbedarf im
"Fall Herberstein". Denn was heute den Casus selbst angeht, was Herberstein und
Boxan betrifft, das haben unsere Gerichte ja eben erledigt. Aber was bleibt in der Sache?
-- [kunst.rasen] -- |