2. Jänner 2011

Ich mag den anderen Klang, wenn man 2011 ausspricht. Was verlangt ein ruhiger Sonntag im so jungen Jahr? Nichts! Denn solche Überlegungen sind bloß Konstruktion. Aber es ist eine besondere menschliche Fähigkeit, sich ein Jahr, also einen Zeitraum ausmalen zu können, in dem Ereignisse auf bestimmte Art geordnet sein werden. (Wie mögen da vergleichsweise Topfpflanzen in die Zukunft blicken?)

Manchmal versuche ich mir vorzustellen, wie sich das anfühlen könnte, wenn man in sich diese Fähigkeit gerade zum ersten Mal entdeckt: Annahmen über die Zukunft mit Wünschen verknüpfen und daraus Handlungspläne ableiten; bei gleichzeitiger Erwartung, daß sich die Dinge dann auch halbwegs so entwickeln werden.

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Der Alltag belehrt einen oft, daß es nicht so kommt. Zum Beispiel: Daran muß irgend jemand grandios gescheitert sein. Dieser quasi original verpackte Weihnachtsbaum, am 2. Jänner vor meiner Hofzufahrt, läßt darauf schließen, daß bei jemandem Annahmen, Wünsche und Handlungspläne in der jüngeren Vergangenheit nicht all zu verläßlich zusammengefunden haben.

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Feuerwerke sind solchen Zusammenhängen gewidmet. Um auf das Schicksal, auf Geister, auf verborgene Kräfte einzuwirken. Feuerwerke sind neuerdings im verbauten Gebiet verboten. Das hindert Menschen nicht daran, auf das Schicksal, auf Geister, auf verborgene Kräfte einwirken zu wollen.

Mein bevorzugtes Konzept ist nicht sehr viel verläßlicher. Es beruht auf Reflexion, Neugier und Tatendrang. Die Chance, damit in die Irre oder gegen eine Wand zu laufen, bleibt keineswegs geringer als mit Konzepten, die stärker "schicksalsgestützt" sind. Geist ist ebenso vage wie die Geister es sind. Aber die Zuversicht!

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Ich habe heute nachgesehen, ob dieser Pavillon in Graz noch steht. Über dem Eingang vermerkt: "Studentisches Wohnservice". In meinen Kindertagen war das eine Bücherei. Damals hatte eine wache Bibliothekarin mich an den Rand meiner Möglichkeiten herangeführt, von da an hing ich ernsthaft am Haken der Literatur. Die Frau machte mich mit Edgar Alan Poe und Ambrose Bierce vertraut.

Wenig überraschend, daß mein Weg etwas später zu Autoren wie Upton Sinclair, Norman Mailer, John Steinbeck und Nelson Algren führte. Welche Irritationen! Dazwischen Ian Anderson, nicht gerade mit den höchsten Weihen der Pop-Musik versehen, aber zu so markanten Zeilen fähig: "I may make you feel but I can't make you think."

Es war verführerisch, denn in einer gewaltbereiten, klerikal-faschistisch untermauerten, aber von Enttäuschung und Weltekel geprägten Erwachsenenwelt war DENKEN für Kinder eine Aussichtslosigkeit, weil Erwachsene das mit ihrer Vormacht jederzeit übersteuerten.

Diese dummen Geschöpfe, die nicht bereit waren, aus ihren Biographien angemessene Schlüsse zu ziehen, statt dessen recht bedenkenlos die eigene Brut in ihrer Verzweiflung verheizt haben, daran erinnere ich mich zu gut. In diesen Tagen gefielen mir natürlich Reime wie die von Anderson:

>>Really don't mind if you sit this one out. / My words but a whisper -- your deafness a shour / I may make you feel but I can't make you think. / Your sperm's in the gutter -- your love's in the sink. ...<<

Nein, ich bin zum Jahresauftakt keineswegs pessimistisch gestimmt. Ich hänge bloß ganz unterschiedlichen Gedankengängen nach. Aber es läßt sich nicht übersehen, daß die Gesellschaften repressiver geworden sind. Das kann nicht ignoriert werden ...

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