Meinen
Gang in ein lokales Fachgeschäft ließ ich am Verkaufspult so auf den Punkt kommen: "Guten
Tag! Für kultur.at sollten einige Fotos in 20x30 da sein." Ich sah die
Fachkraft eine Weile hinter dem Pult kramen und kam zum Schluß, das Abteil der Schublade
ließe bestenfalls das Fotoformat 13x18 zu. Also bemerkte ich: "Sie sind 20x30.
Ihr werdet mir die Fotos doch nicht gefaltet haben." Der Mann antwortete ohne
aufzusehen: "Weiß man nie."
Da hat er ja prinzipiell ganz recht. Dennoch beschlich mich
augenblicklich das Gefühl, die sei ein guter Moment, mir um das Bildungsniveau unserer
Jugend Sorgen zu machen. Dann machte mir Sorgen, was mich wohl plötzlich dazu bringt, in
solchen Kategorien zu denken: "Unserer Jugend".
Der Einwand einer älteren Fachkraft, die Fotos hätte etwa
DIN A4 und müßten sich daher in einer anderen Lade befinden, führten auf jeden Fall zu
neuen Klarheiten und hatte zur Folge, daß ich zusagte, morgen wieder zu kommen.
Vielleicht werden dann unsere 20x30-Fotos verfügbar sein. Apropos Fotos!
Wir hatten eben eine Session mit Fotograf
Franz Sattler, Schwerpunkt "Blickkompetenz". Sattler ist hier in der Mitte bei
der Arbeit zu sehen. Rechts im Vordergrund Gerrit Husung, der seit velen Jahren im "Großformat"
arbeitet; definitiv eine Königsdisziplin der Fotografie.
Das bedeutet, er ist mit
seiner Wahl der Werkzeuge auf ganz grundlegende Art den Anfängen der Fotografie
verbunden, pflegt zugleich einen gegenwärtigen Status des Mediums, der eine Kategorie
für sich ist. Daraus ergeben sich beachtenswerte Denk- und Betrachtungsweisen, die
Sattler mit seiner reichen Erfahrung kontrastiert.
Ein weiterer Schritt, im
Kontext des Kulturprojektes "kunst ost" zunehmend auf Kompetenzgewinn
zu setzen. Es waren erst kürzlich die "Labor-Übungen" und der Vortrag
von Kunsthistorikerin Mirjana Peitler-Selakov eben diesen Bestrebungen gewidmet --- hier
im unteren Bereich der "Schritte"
im Rahmen unseres Beitrages zum heurigen Festival "steirischer herbst".
Apropos Kompetenzgewinn. Ich nenne die Leute in
Südosteuropa vorzugsweise "Unsere alten Nachbarn". Es hat uns einst
viel verbunden; auch im Kontroversiellen. Über ein halbes Jahrtausend unter dem Banner
des Hauses Habsburg waren hier wechselvolle Nachbarschaften üblich. Ein halbes
Jahrhundert Kalter Krieg hat viel davon zerschlagen, nachdem die Jahrzehnte davor ein
gewalttätiges Ensemble von Umbrüchen zu bewältigen gewesen ist. Ich fahre gerne auf den
Balkan, um da inspierierte Menschen zu treffen und mich mit ihnen über verschiedene
Angelegenheiten von Gewicht auseinanderzusetzen.
Diese Bilder stammen aus dem bosnischen Banja Luka, wo das "Center
for Visual Communications Protok"
gerade den Part 2010 der "Spaport Biennial" realisiert hat. Zum Teil der
unmißverständliche Zugang Kunstschaffender auf die jüngsten Konsequenzen eines Europa,
das sich schon geraume Zeit nicht von einem vor allem ethnisch begründeten Nationalismus
losreißen kann.
Ich schreibe bewußt Europa, denn ich meine den ganzen
Kontinent, der uns zur Zeit in so vielen Parlamenten quasi-faschistische Abgeordnete
zumutet. Was immer die Völker des vormaligen Jugoslawien selbst zu verantworten haben,
und da ist in mehreren Ethnien so einiges an Kriegsverbrechen zusammengekommen, es ist
ganz Europa, das nach Auschwitz gemeinsam in ein "Nie wieder!"
eingestimmt hat. Seit Srebrenica mußte es dann "Schon wieder!"
heißen.
Auch wenn die Greuel der Bosnien-Kriege nicht mit dem
Holocaust gleichgestellt werden können, so ist es doch der gleiche Geist, sind es die
gleichen banalen Seiten ganz gewöhnlicher Menschen, die das zustande gebracht haben.