19. Oktober 2010

Dieser Herbst macht mir gute Laune, denn es ist so naß und kalt, wie man es erwarten durfte, auch windig, ich kenne mich also mit dem Lauf der Dinge aus. Dabei hat mich eben erst beschäftigt, daß das ja sehr trivial ist, wenn Dinge erwartungsgemäß verlaufen.

Ich hab freilich einen klaren Hang zum Trivialen. Mein Leben, wie es sich zeigt, empfinde ich oft sehr erschöpfend. Doch ich wüßte niemanden, mit dem ich tauschen wollte.

Viel Ambivalenz und heftige Emotionen; das ist eigentlich sehr nach meinem Geschmack. Das Uneindeutige bleibt so attraktiv. Solche Dinge gehen mir durch den Kopf, wo ich noch stark in all den Anregungen stecke, welche mir die Tage mit den Leuten von den "Kollektiven Aktionen" geboten haben.

Gestern haben wir die Installation abgebaut und diesen Vorgang gleich noch für ein privates Vergnügen genutzt. Da im Hause eine Anlage mit großer Leinwand zur Verfügung steht, habe ich Tarkowskis "Andrej Rubljow" eingelegt.

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Irmgard Hierzer, Mirjana Peitler-Selakov
und Hertha Tinchon beim Abbau

Dieser Film zeigt so manches, was offenbar auch im Werk der "Kollektiven Aktionen" eine Rolle spielt. Dieses Mönchische, sich einer Sache mit radikaler Ausschließlichkeit zu widmen, hat übrigens auch "KA"-Gründer Andrej Monastyrskij seinem Weg in die Kunst vorangestellt; genau deshalb ja sein Künstlername Monastyrskij. Er verbrachte rund eineinhalb Jahrzehnte in einem Kloster, ausdauernd eine "Kunst-Mantra" absingend.

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Solche Praktiken sind mir sonst noch im Zusammenhang buddhistischer Mönchswege geläufig. Ich würde solche Radikalität allerdings scheuen. Mehr noch, sie scheint mir furchterregend.

Aber das bleibt unerheblich, weil ich keinen Ehrgeiz habe, innerhalb dessen, was Menschen generell möglich ist, eine gar so exponierte Position einzunehmen. Was mögliche Positionen sind, ist mir vor allem in der Begegnung mit Romashko aufgefallen, dessen enorme intellektuelle Reichweite ich bestaunt habe.

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Irmgard Hierzer, Hertha Tinchon
Mirjana Peitler-Selakov und Renate Krammer
und  beim Abbau

Der Mann ist bloß einige Jahre älter als ich, blickt also auf einen vergleichbaren Lebenszeitraum zurück, den er allerdings völlig anders zugebracht hat. Ich erinnere mich gerne an sein Lachen, als er von Letov erzählte, dessen Brotberuf ihn dazu gebracht hatte, an einem Raumschiff oder einer Raumstation mitzuarbeiten. Und Hänsgen, die quasi eine lebende Brücke zwischen Ost und West gewesen ist, als die Mauern noch hoch und die Zäune gefährlich waren.

Diese so anderen Bedingungen, in denen ausgelotet sein wollte, was Kunst sei. Muß das sein? Ist das wichtig? Kann ich mir dafür was kaufen? Lustig, hm? Polemisch verkürzt: Eben erst hat eine Elite von etwa zehntausend Leuten der Arbeit Früchte von vierzig Millionen Untertanen genossen. Dann hat man uns SA und SS vor der Nase paradieren lassen und die Gestapo in den Rücken gestellt; so griff die Tyrannis der Prolos auf uns zu.

Heute machen das Ökonomie und Politik Hand in Hand, etwas feiner aber kaum weniger schmutzig, greifen oft sehr unredlich auf uns zu. Ich bin also froh, daß es in dieser Gesellschaft auch soziale Systeme wie das der Kunst gibt, wo wir Anlässe und Gelegenheiten haben, über Fühlen und Denken etwas mehr herauszufinden denn die Klarheiten von Werbetextern und allen Arten von Ratgebern.

["The Track: Virtuosen der Täuschung"]


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