12. Oktober 2010So ist das also.
Zeitgemäße Journalisten-Logik definiert als Wahlsieger nicht jene, die am meisten
Stimmen erhalten, sondern jene, die am meisten Stimmen dazugewonnen haben. Das sind ganz
unterschiedliche Fokuseinstellungen.
Die Wahlen in Wien haben den Sozialdemokraten
keine Empfehlung verschafft und lassen die Christlichsozialen in erbärmlichem Licht
dastehen. Vielleicht helfen solche Ergebnisse (plus die niedrige Wahlbeteiligung) einigen
Funktionstragenden auf die Sprünge.
Das Ausmaß an Arroganz und Selbstreferenz, wie
es mir seit Jahren in diesen Großparteien auffällt, ist mir längst unerträglich. Diese
großmäuligen Clubchefs etwa, die vor allem damit befaßt sind, einander etwas
auszurichten, statt den galoppierenden Problemlagen auffallend und kompetent
entgegenzustehen. (Dieses ausdauernde Gegacker, das ich mit dem Bild von Hofeunuchen
assoziiere.)
Die Zugewinne der vaterländischen FPÖ wundern
mich nicht. Die leicht verkäufliche Menschenverachtung hat sich erneut als blendendes
Geschäft erwiesen. Wir haben der Tyrannis zu viel Raum gelassen. Die öffentlichen
Diskurse, in denen "Ausländer" und "Muslime" als Feindbilder
aufgebaut wurden, haben längst eine neue Version von Herrenmenschen-Gehabe konstituiert.
(Diese erigierten Herrenmenschen" sind JETZT schon brandgefährlich!)
Wenn solche Herrenmenschen-Praxis nur genug Zeit
erhält, um sich festzusetzen, sind erneut alle Grundlagen da, um jene Lager zu
ermöglichen, von denen wir uns nach dem Zweiten Weltkrieg mit großen Gesten losgesagt
haben.
Ich höre unter meinen Leuten ein Räsonieren,
das natürlich Unfug ist, weil völlig nutzlos. Es bedarf sehr konkreten Engagements, um
die Menschenverachtung zurückzudrängen. Das meint uns, die wir den Kurs eines Strache
ablehnen. Das meint wohl auch die primären Ziele seiner Politik.
Mehr noch! Ich denke, auch die Muslime und
allerhand Ethnien im Land, werden ihrerseits Wege und Strategien entwickeln müssen, um
die wachsende Eskalation abzufangen. Oder sie werden mit logistisch und legistisch
überlegenen Staatsgewalten konfrontiert sein, in denen eine "Neue Rechte" seit
den 1980er-Jahren quer durch Europa Sitze erlangt hat. Diese Konfrontationen werden meiner
Einschätzung nach kaum abflauen, sondern härter werden.
Daß Österreich einen rechtsradikalen
Nationalratspräsidenten hat, ist nicht bloß eine peinliche Angelegenheit, sondern ein
Sturmzeichen, hinter dem ein erhebliches Gewaltpotenzial steht. Deshalb mißfällt mich
auch das erneut anschwellende Jammern in meine Umgebung so sehr. Ich habe keine Zeit und
keine Lust, mich über Strache auszulassen. Wir sind durch unsere eigene Geschichte ja
mehr als gewarnt, was geschehen kann, wenn es nicht gelingt, solche Tendenzen
einzudämmen.
Es gibt also genug zu tun, um das durchzusetzen,
was wir der Menschenwürde zu schulden meinen. Dabei können wir uns nicht auf Straches
Gefolgschaft ausreden, falls es schwer fällt, sonden haben angemessene Schritte zu
setzen. Punkt!
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