2. Oktober 2010
Von der Baustelle zur Ausstellung. Das
launige Ringen um die Greifbarkeit des Schlüssigen. Alles an seinen Platz; aber was ist
der Platz von allem?
Diese tausend Handgriffe machen mich stets wieder
irgendwie verrückt. Dazu ist es gar nicht erst nötig, daß ich sie alle selbst
ausführen müßte. Eine Inszenierung, ohne daß es um Entertainment ginge. Wir saßen
gestern nachts noch eine Weile mit Sabine Hänsgen in einem Lokal am Grazer Hauptbahnhof,
weil Romashkos Zug erst später ankam.
Es kann all das kein Unterhaltungsprogramm sein,
da waren wir uns einig. Auch wenn in der Kunst auf manchen Linien das Spektakel geschätzt
wird. Hier geht es um eine Verlangsamung im Strom der schnell getakteten Eindrücke. Was
von den "Kollektiven Aktionen" zu sehen ist, ergibt Anlässe, um selbst
in den Prozeß einzusteigen. Das geht keinesfalls im flotten Vorbeiflanieren.
Hier Sabine Hänsgen und Sergej Romashko. Wir
sprachen über Bedingungen der Kunstpraxis, über öffentliche Diskurse und die Potenziale
wie die falschen Versprechen einer technisch hochgerüsteten Medienindustrie. In einem
Land, wo etwa unliebsame Journalisten plötzlich tot in einem Waldstück aufgefunden
werden können und allerhand andere Hemmnisse auf die menschliche Gemeinschaft einwirken,
ist künstlerische Praxis natürlich nicht das, was wir für selbstverständlich halten.
Die Kenntnis davon läßt mir den heimischen
Mangel an Courage, wie er über weite Strecken auffällt, noch schmerzlicher erscheinen.
Niemand wird bei uns nachts aus einer Wohnung gezerrt, weil er vielleicht im öffentlichen
Diskurs eine provkante Position eingenommen hat.
Aber ich weiß natürlich, wie das kommt. Wir
haben ja selbst schon erlebt, wie gelegentlich Funktionäre der Region, denen unser Tun
mißfällt, sich die Freiheit nehmen, einzelne von uns sowie unser ganzes Tun anzufechten;
selbst mit höchst unredlichen Mitteln und ohne sachlich nachvollziehbare Basis.
Wenn dann etwa ein exponierter Sozieldemokrat
seine überaus skurrile Vorstellung von Demokratie zelebriert, dann sind wir freilich noch
nicht einmal auf dem gleichen Kontinent wie Letov, der für seine künstlerische Praxis in
den Knast mußte.
Aber die Tyrannis bleibt stets in einzelnen
Funktionären wach, die uns durch ihr Verhalten ja nicht verborgen bleiben. Und wir wissen
genau, wohin sowas zielt, weil uns aus dem 20. Jahrhundert keine Geheimnisse über die
Tyrannei geblieben sind.
["The Track: Virtuosen der
Täuschung"]
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