23. September 2010

So hieß es hier ja eben erst: "Fast eine Woche ohne Einträge im Logbuch, ..." Und nun schon wieder. Naja, es paßt durchaus, das Web ist der "Nachgeordnete Ort" und das Leben in realer soziale Begegnung muß Vorrang haben. Draußen, "in real life", spielen sich ja auch die wirklich maßgeblichen Dinge ab. (Das Web ist dazu bloß eine Extension.)

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Und sei es bloß, daß so ein Klassiker am Florianiplatz an mir vorbeizieht, viel zu plötzlich, als daß ich ein Foto machen könnte; aber dann bringt mir ein Rundgang durch die überschaubare Stadt das Beutestück aus nächster Nähe. Dieser Fiat 500 "Topolino", noch dazu in der seltenen Version A, ist ein herausragender Meilenstein in der Sozial- und Technologiegeschichte Europas.

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Aber all das ist in die Vorbereitungen für "The Track" eingebunden. Ein Trio der Gruppe "Kollektive Aktionen" wird in wenigen Tagen eintreffen; dann geht die Umsetzungsarbeit los. Konzeptkunst ist vielen Menschen ein unklares Thema. Dabei fällt mir diese Tendenz auf, der ich manchmal im Weg zu stehen scheine, daß Menschen in der Befassung mit Kunst eher fragen: "Was krieg ich? Was hab ich dann?", als daß sie andeuten: "Was macht es mit mir? Was werde ich tun?"

Was man sich unter "Kunstgenuß" vorstellen könnte, hat in meinem Milieu freilich keine Tradition. Mittlerweile kommt hinzu, daß im "Bildungsbürgertum" enorme Kahlschläge stattgefunden haben. Damit meine ich, in diesen Milieus wurden teilweise die eigenen Konventionen verworfen, eine grundlegende Kenntnis von Zusammenhängen der Kunst und ihren gegenwärtigen Ausdrucksformen fehlt mehr und mehr. Wenn also Kunst "elitär" sei, dann deshalb, weil breite Bevölkerungskreise es den "Eliten" überlassen, sich damit zu beschäftigen, ob wohl es einige gute Gründe gibt, solche Zugänge nicht zu ignorieren.

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Derlei Einschätzung bestätigte mir übrigens auch der hier schon erwähnte Galerist Eugen Lendl [link]. Es gibt momentan mehr denn je Klärungsbedarf, was in diesen Fragen wichtig und zu tun wöre.

Nun kommt es genau in solchen Zusammenhängen oft zu einem kuriosen Trugschluß. Als häufige Reaktion höre ich: "Das ist alles so abgehoben, so schwierig. Kann man das nicht einfacher ausdrücken?" Ich empfehle in solchem Falle gerne das Abonnement diverser Boulevardblätter, die einen solcher Mühe der emotionalen und geistigen Anstrengungen entheben.

Warum also keine neuen Erfahrungen machen, unbekannte Felder betreten, staunen und ratlos sein? Warum also nicht die Auseinandersetzung mit komplexen Phänomenen, die im erheblichen Kontrast zu Fragen der schlichten Alltagsbewältigung stehen, suchen?

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Kuratorin Mirjana Peitler-Selakov vor Ort beim "Probehängen" von Makulatur,
um bezüglich der kommenden Bildformate zu Entscheidungen zu kommen.

Warum also der Ruf nach Komplexitätsreduktion und der Absenkung von Inhaltsschwellen? Wahrnehmung. Es geht um Wahrnehmung und um Kommunikation. Ich greife ein markantes Beispiel heraus, wie das mit anderen gesellschaftlichen Bereichen zusammenhängen kann.

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Kürzlich war diese Headline in der "Kleinen Zeitung" zu finden. So eine Situation ist selbstverständlich multikausal. ("Eine Erklärung dafür lasse sich nur schwer finden, sagt Josef Missethon, Psychotherapeut ...") Aber EINE der möglichen Quellen von derlei Unglück sind gewiß Defizite darin, Gefühle ausdrücken und mit anderen Menschen kommunizieren zu können.

Wahrnehmungserfahrungen. Kommunikation auch komplexer Themen. Umgang mit dem Irrationalen ebenso wie mit dem Rationalen. Jetzt erzählen Sie mir doch einmal, wo das in üblichen Alltagen erwünscht, gefordert und auch ermöglicht wird? Kunst ist keine Therapiemethode. Kunst haben wir nicht "um zu...". Aber sie ist fraglos ein Zusammenhang menschlicher Gemeinschaft, bei dem auf all die Dinge wert gelegt wird, deren wachsendes Fehlen Menschen ins Unglück stürzen kann. Kunst ist also keine "Kur" gegen solche Defizitlagen, aber sie ergibt ein Denk-, Handlungs- und Wahrnehmungsfeld, auf dem viele solcher Möglichkeiten grundlegend wichtig sind.

Post Scriptum: Wie merkwürdig, daß unsere russischen Gäste in ihrer Jahrzehnte währenden Projektgeschichte auch in Konfrontation mit der Tyrannis geraten, sich in ihrem künstlerischen tun gelegentlich gegenüber Polizeikräften behaupten müssen, während das bei uns manche Menschen bloß als Dekorationsgeschäft begreifen.

["The Track: Virtuosen der Täuschung"]


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