20. Juli 2010Ich hab kein Verständnis dafür, daß sich Insekten in meinen
Kaffee stürzen. Ist zu wenig an Süßigkeiten in freier Natur? Ist das Herumgranteln eine
typisch österreichische Eigenschaft? Werden wir als milde Wesen geboren oder sind wir als
Spezies gewissermaßen ontologisch mies? Warum ist schon wieder der 20. des Monats, also
meine nächste Rate beim Finanzamt fällig? (Es war doch eben erst Monatsbeginn!) Warum
meint mein Browser, dieses Logbuch sei Niederländisch und müsse ins Deutsche übersetzt
werden? Habe nur ich es nicht leicht oder fällt es allen schwer, sich Sorgen vom
Hals zu halten?
So können Tage beginnen; müssen aber nicht. Ich
bin ein mentaler Wechselfall. Wenn man mich nicht reizt, finde ich gelegentliche Sorgen
sehr schnell lächerlich. Und das mit dem Freuen klappt verläßlich.
Etwa als ich beim Abschlußtag von "styrian summer_art" in
Pöllau die Arbeiten von "Bruno" sah. Eine kleine Serie von Tierbildern, deren
Intensität ich hinreißend finde. Ganz ohne das ungelenke Bemühen, das ich oft an
Arbeiten ambitionierter Menschen so störend finde.
Kurioser Weise finde ich genau in solchen Arbeiten
Hinweise, wovon Kunst handelt, obwohl ich annehmen darf, daß Bruno kein
Selbstverständnis als Künstler pflegt. Die expressive Reflexion der Welt und seiner
selbst ist ein zentrales Ereignis der Kunst. Kein simples Abbild, keine banale
Verkürzung, die auf ein liebliches Klischee hinausläuft. Statt dessen ein wuchtiges auf
sich selbst Stoßen. Ich möchte etwas hemdsärmelig behaupten: Nichts für Weicheier!
Dann war da in Pöllau noch etwas, das nicht für Weicheier geeignet ist.
Man möchte meinen: Ein geschwollener Renault 5. Man
möchte fragen: Wozu der Deckel hinter dem Fahrersitz? Vergrößerter Kofferraum? Ich war
SEHR vergnügt. Mit dieser französischen Rarität konnte man in den 1980ern so manchen
Porsche herbrennen. Es ist ein Renault 5 Turbo 2, dessen Genese auf die legendären
Renault Alpine verweist. Eine handliche Mittelmotor- Granate, was den Deckel hinterm
Fahrersitz erklärt, denn dort sitzt der Motor, den die normalen R5 vorne haben. Genau!
Vernunftfreie Zone.
Ich hab auf dem Weg durch das Pöllauer Tal meine eigene Arbeit
inspiziert, hoffend, die Unwetter der letzten Tage hätten schon daran zu wirken begonnen.
Eine unrealistische Vorstellung. Selbst Papier, wie ich es manchmal aus Büchern reiße
und auf der Strecke hinterlasse, widersteht sehr lange allen Arten von Wetter.
Davor war ich Teil einer launigen Reisegesellschaft
gewesen. Auf diesen Säulen ruht ein alter Pavillon im Stift Admont. Und an der
Säule ruht Dietmar Seiler, der künstlerische Leiter der "regionale 10". Eine Reise, die
Eindrücke bot, an denen mehrere Leute mehrere Monate arbeiten könnten, wollten wir auf
diese Eindrücke mit unseren Mitteln reagieren. (Siehe dazu auch die Notizen im
"Mezblog: "die
strecken werden uns nicht geschenkt" und "zentrum/provinz" sowie
den Eintrag
bei "kunst ost".)
Auf sich selbst stoßen. Reflexion seiner selbst und der
Welt und dessen, wie all das zusammenhängen mag. Kurz: Selbstvergewisserung. Ich habe es
oben erwähnt. Um solche Möglichkeiten dreht sich künstlerische Praxis, dreht sich auch
die Rezeption von Kunstwerken. Wer das für ein "Dekorationsgeschäft" hält,
hat offenbar erst bescheidene Vorstellungen, wovon menschliche Gemeinschaft handelt.
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