17. Juli 2010Die Tage der Hitze haben mich ein wenig larmoyant gemacht und mir
die Laune am Schreiben genommen. Stunden der Stille in meinem Bunker als Kontrast zu
einigen Umtriebigkeiten. Im Schatten meiner Bücher oder ganz wo anders. Mein Mädchen
schickte mir eben Post aus Canada. "So viel Wasser!" Das meinte die
Niagara-Fälle. Im dortigen State Park findet man eine Statue, die einen hageren Mann
zeigt, sitzend, lesend. Auf dem Sockel in Versalien die lapidar gehaltene Inschrift
"NIKOLA TESLA INVENTOR ..."
Sehr heiß sei es bei den Niagara-Fällen, trotz des vielen
Wassers. Sehr heiß war es auch im entlegenen Lindegg, wo ich mir die Fußsohlen bis zur
Unerträglichkeit aufgeheizt hab, um dieses Stück aus dem Hause British Leyland zu
umrunden. Die Verpackung ist von Karmann. Was ergibt das ganze Paket?
Einen klassischen Roadster, wie er Ende der 1960er in die
Gänge kam. Triumph TR6. Auf dem Weg dahin war ich noch, was mit der Hitze nett
korrespondiert hat, von "Hollywood Undead" durchgeschüttelt worden, was darauf
hinweist, daß ich mit meinem Sohn unterwegs gewesen bin.
Er liebt so adrette Bands, deren Gefolgschaft sich
Sentenzen wie diese auf die Brust und auf andere Körperflächen tätowieren läßt: "All
my battles have been won but the war has just begun". Sehr ansprechend: "The
heart for the Heartless".
Ich ahne ja, warum die Mutter des Bubens gelegenlich an
seinen Flausen leise verzweifelt, oder auch laut, wie es sich gerade ergibt. Diese
unbändigen Welpen zeigen gelegentlich ein recht unliebes Verhalten. Mir leuchtet das ein,
denn in meiner Generation haben die Heuchler, Schwätzer und Lügner in den letzten zwei
Jahrzehnten mächtig zugelegt. Wie sollen die Kids einem das quittieren, da wir ohnehin
nicht auf sie hören? Abschreckendes Verhalten scheint eine adäquate Antwort zu sein.
Apropos abschreckendes Verhalten! Vor mir liegt noch Zeugs
herum, das auf abschreckende Dimensionen ganz anderer Art verweist. Der kleine,
unbedeutende bosnische Ort Kozarac,
wo mir ein kräftiger Kaffee gebraut wurde; dort herrschte schon letzten Mai jene Hitze,
die wir hier gerade beklagen.
Mich hat inzwischen erstaunt, daß etwa sehr viele Leute
aus Slowenien von all dem offenbar nichts wissen, wissen wollen. (Deren Moris-Brigade
hatte ja nicht gar so viel Gelegenheiten für fragwürdiges Verhalten.) Omarska?
Trnopolje? Ich bin inzwischen auch schon ins Grübeln gekommen, was es denn mich nun
angehtm wo so viele Leute, die wesentlich näher dran wären, ausdrücken, daß es sie
nichts angeht.
Verlockende Distanz! Sängerin Irina Karamarkovic faßte in
unserer diesbezüglichen Korrespondenz zusammen, was solche Klimata fördern mag, daß
etwa "nach so vielen Jahren, in denen eine paranoide Politik gemacht wurde, nach
Jahren der Isolation und Zerfall und nach so vielen Kriegsvergiftungen..." die
Bereitschaft wohl sehr gering sei, sich diesen Themen zu stellen.
In genau einer Woche werde ich um eben diese Zeit auf dem
Weg in das Kosovo sein. Tierarzt Karl Bauer fährt mich und den Journalisten Manfred
Kampusch dann auf einige gewundene Wege. Ja, was geht uns das an? Dieser verarmte Süden
Europas, an manchen Stellen längst vollkommen ruiniert, ohne jede realistische Chance, je
auch nur in die Nähe unserer Standards aufholen zu können.
Wir wollen die Leute von dort, soweit sie sich zu uns
durchschlagen konnten, möglichst umfassend und schnell wieder loswerden. Ich werde es
womöglich noch erleben, daß dort Zäune hochgezogen werden, um die Menschen draußen zu
halten. Spanien hat es uns vorgemacht. Zwischen Amerika und Mexiko ist es so gut
eingeführt, wir finden das Motiv auch in unzähligen Spielfilmen ... Was gehen uns die
Armen an?
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