1. Juni 2010 Sabine
Hänsgen [link] ist
Slawistin. Und sie ist Mitglied der Gruppe "Kollektive
Aktionen" aus Moskau. Wir hatten gestern ein erstes ausführliches Gespräch
zu unserem gemeinsamen Vorhaben im kommenden Herbst.
Diese Crew gehört zum Komplexesten, was mir in der
Gegenwartskunst geläufig ist. Ich kenne kein anderes Beispiel einer so langjährig
tätigen Formation; die Wurzeln der "Kollektiven Aktionen" liegen in
den 1970er. Damit ist von der UDSSR und der Ära Breschnew die Rede. (Er starb 1982.)
Hänsgen erzählte etwa von einem bemerkenswerten Level der
Selbstorganisation dieser Künstler: "Das ist eben alles in einer Situation
entstanden, wo es auch Zensur gab." Sehr moderat ausgedrückt!
In meinem Milieu wird ja oft schon "Zensur!"
geschrien, wenn sich jemand mit eigenen Ansichten gerade kein Gehör verschaffen kann.
Dabei fällt leicht unter den Tisch, daß "Zensur" eigentlich etwas meint, was
staatlich organisiert, legitimiert und mit entsprechenden Ressourcen ausgestattet ist.
Hier Mirjana Peitler-Selakov, Cokuratorin des Projektes; es
war noch unerwähnt: "Virtuosen der Täuschung" wird unser heuriger
Beitrag zum Kunstfestival "steirischer herbst" sein: [link] All das
betrifft also im Fundamet unserer Gäste die Erfahrungen einer UDSSR, welche schließlich
zu Rußland wurde, wo heute, wie ich erfahre, die Oligarchen starken Einfluß auf den
Kunstmarkt nehmen, was natürlich eine Formation wie die Moskauer Konzeptualisten vor
vielfältig neue Anforderungen stellt ...
... Vor dem Hintergrund einer (Kunst-) Geschichte, in der
Literatur eine sehr große Rolle spielt und in der Dostojewski für das Verlesen eines
Briefes nach Sibirien geschafft wurde ... Damit meine ich, die Totalitarsmus-Erfahrung hat
in jener Gesellschaft eine ganz andere Dimension als bei uns.
"In jener Gesellschaft", das ist für
sich schon sehr unpräzise formuliert. Auf den einstigen "Warschauer Pakt"
bezogen, wir sagen heute gerne etwas schlampig "Der Ostblock",
erwähnte Hänsgen: "Man muß sich erinnern, daß da ganz verschiedene
gesellschaftliche Systeme vertreten waren."
Heute reüssiert der Rechtsextremismus hier wie dort
gleichermaßen, der Nationalismus boomt, Auschwitz uns Srebrenica sind offenbar vergessen,
der "Sozialismus" scheint grundlegend diskreditiert zu sein, auch wenn der
Kapitalismus uns nicht gerade seine beruhigendsten Seiten zeigt. WAS also möchte dieses
Europa nun sein und wohin tendiert etwa Rußland? Welche Wechselspiele wären erwünscht
und welche zu fürchten? Welche Fragen stehen an? Auf welche gesellschaftlichen
Erfahrungen stützen sich diese aktuellen Prozesse? Wo wird verhandelt, mwas daraus
konkret entstehen mag?
["The Track: Virtuosen der
Täuschung"]
Cut!
Bei "kunst ost" ist gerade
die erste Ausgabe des Schwerpunktes "FrauenenMonat" startklar. Eine Ereignisreihe, die über ganz
verschiedene Kunst-Genres dem Thema Frauenleben gewidmet ist; was sich zur Zeit auch in
den Kuriositäten seiner Entstehung ausdrückt. Ich
bin ziemlich neugierig, welche Verfahrensweisen sich gesamt in der Region als haltbar
erweisen werden, wo es immer noch definitiv Neuland ist, kulturpolitische Optionen über
einzelne Gemeindegrenzen hinaus zu entwickeln und eine ganzjährige Präsenz, also
Kontinuität, solcher Prozesse zu erwirken. Unter Kunstschaffenden hat das so seine
heiklen Passagen. |
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Vor allem in jenen Bereichen,
wo ehrenamtliche und hauptamtliche Arbeit einander berühren, letztlich aber vor allem
dort, wo es um die Fragen verfügbarer Budgets und medialer Aufmerksamkeit geht.
Wir haben unter anderem seit einigen Monaten
darüber zu reden, daß das Landesbudget für Kultur um 25 Prozent gekürzt werden
könnte. Das wird in unserem Milieu nicht gerade die edelsten Seiten der Branche
hervorkehren. (Ich habe das im Projekt-Logbuch etwas ausführlicher zu behandeln begonnen:
[link])
Meine Überzeugung steht fest, wer nun zu
stabilen Kooperationen in der Lage ist und bemerkenswerte Konzepte hat, wird etliche der
kommenden Einbrüche kompensieren können. Vieles wird den Bach runtergehen. Manches davon
sollten wir bedauern. Anderes wird von der Art sein, welcher man keine Träne nachweinen
muß.
Apropos Träne! Nachdem die Sozialversicherung
für einen Freelancer zu den härtesten Brocken des Geschäftslebens gehört, nachdem
dieser Bereich plus die Steuer von jeder Rechnung, die ich schreibe, falls die Kundschaft
dann endlich zahlt, 40 Prozent (!) nimmt, nachdem ich also gerade wieder eine mächtige
Beitragszahlung zu bewältigen hatte, weine ich bei folgender Nachricht eine heiße
Träne, weil ich erfahren muß, daß mein (Zwangs-) Vertragspartner grade keinen Vertrag
hat ... mit der Ärzteschaft, mit mir natürlich schon:
>>Für Österreichs Selbstständige
brechen beim Arztbesuch harte Zeiten an. Weil am Dienstag ein vertragsloser Zustand
zwischen Ärzten und Krankenkasse startet, müssen sie für die Behandlung bar zahlen und
bekommen nur einen Teil zurück. Grund dafür ist der Honorarstreit zwischen
Gewerbe-Sozialversicherung SVA und der Ärztekammer.<< [Quelle: APA]
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