27. Mai 2010 Wir saßen an
einer belebten Straßenkreuzung in Prijedor. Schwarzer Kaffe. An den Nebentischen eine
Runde einheimischer Motorradfahrer, die sich und ihre Fahrzeuge wie in einem Schaufenster
aufgestellt hatten.
"Es hat keine Racheakte gegeben", sagte
der Bosniak. Ein weiterer unter so zahlreichen Hinweisen: Im Zerreißen Jugoslawiens war
ethnisch motivierter Haß nicht die Quelle, sondern die Folge der Eskalationen gewesen.
Der Gang durch Kozarac. Ein kleiner Ort im Umfeld der
bosnischen Stadt Prijedor. Omarska und Trnopolje sind nah. Stätten eines systematischen
Tötens als Ausdruck politische Praxis in Zeiten, wo sich Menschen vormachen, dies seien
gesetzlose Zeiten.
Aber selbst der Krieg hat seine Regelwerke und alles, was
uns schützt, ist die Haltbarkeit solcher Übereinkünfte. Mehr haben wir nicht, um unsere
Leben auf sicherem Boden zu wissen: Übereinkünfte.
Darin liegt einer der Hauptgründe, warum es auch uns
erreicht, ausnahmslos, wenn eine Soldateska wenige hundert Kilometer südlich mordet, wenn
Sonderpolizei foltert, wenn Paramilitärs Menschen unterpflügen. Es greift jenen
zivilisatorischen Konsens an, der alles ist, worüber wir verfügen, um einen Kontinent
friedfertig zu halten und uns vor roher Gewalt zu schützen. Dieser Konsens hat eine ganze
Reihe von Bedingungen. Es wäre höchste Zeit, diesen bedingungen wieder angemessene
öffentliche Debatten zu widmen.
Dieser Konsens wird auch angegriffen, untergraben, wenn
eine Innenpolitik genau jenen "Krieg der Worte" gegen andere Ethnien oder
Glaubensgemeinschaften zuläßt, sogar nutzt, bewirtschaftet, wie wir ihn in Österreich
nun seit einigen Jahren erleben. Die Ergebnisse sind letztlich immer gleich, das wissen
wir seit Auschwitz.
Hinter dieser Bahnlinie am Rande des Örtchens Omarska tut
sich jener riesige Bergwerkskomplex auf, der vor rund einem Jahrzehnt tausende Menschen
verschlungen hat. Es ist bis heute nicht geklärt, wie viele davon ermordet wurden. Aber
es ist überaus klar, wie man mit ihnen verfahren ist, bevor sie ihre Leben verloren. [Lager Omarska]
Was soll ich Ihnen Schreckensbilder zeigen? Wozu? Stellen
Sie sich einfach vor, es ist ihnen eine Zeit voller Qualen und Furcht, voller Hunger und
Peinigung beschieden und einige Wände des Hauses, das ihr Schutz, ihr Dach sein könnte,
werden mit Blut ausgemalt. Aber alles was die Welt sieht und wahrnimmt, sind diese
Eisenbahn-Waggons ...
["road to omarska"]
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