6. Oktober 2009 Der Wirt
blickt zufrieden auf sein Werk. (So auch ich; auf seines.) Manfred Stangl hat mir ein
Schwammerlgulasch gekocht. Das gibt allerweil Anlaß, übers Leben zu plaudern. Denn Pilze
und Konsorten lassen einen auf verschmitzte Art daran denken, daß man es verlieren
könnte. Das Leben. Warum eigentlich?
Wie viel leichter und öfter verliert sich da und dort ein
Leben durch ganz andere Dinge als Pilzgerichte? Kugeln. Davon war dieser Tage auch zu
reden. "If a bullet cuts you down", sagte einer, dann denken die
Menschen daran. Wenn du aber wie ein Huhn auf der Autobahn stirbst, denkt niemand daran.
Von dem erzähle ich noch. Frank Ugiomoh. Kunsthistoriker und Philosoph aus Nigeria.
Das begann eigentlich mit diesem unspektakulären, aber
feinen Fund. Ein Steyr 680, längst ausgemustert, hier, wie zu erfahren war, in
Startposition, um beizeiten eine lebhafte Crew nach Afrika zu bringen. Die Treppe daneben
führt zum "Schaumbad" ("freies atelierhaus graz"). Ein
verblüffendes Areal, endlos scheinende Flächen, ungezählte Gänge und Türen, gesamt
ein Ensemble, das für mich Geheimnisse atmet.
Die junge türkische Performance-Crew "HA ZA VU
ZU", Herolde der internationalen Bewegung "kick someone's ass!",
trug einige Lektionen zum Thema Blockaden und lautes Gebrüll vor. Kurz davor hatten wir
in Gleisdorf "Wie spät ist es?" eröffnet. [link]
Die Orte der Kunst haben manchmal eine irritierende
Weitläufigkeit und eine Buntheit, die sich aus ganz pragmatischen Zugriffen ergibt:
Einfache Lösungen. Das liebe ich. Möglichst viel Geld für dein eigentliche Prozeß
sichern, die Strukturkosten unten halten.
Tage der Lektionen, die in meine Gefüge eingreifen. Was
für merkwürdige Zustände! Tiefe emotionale Erschöpfung, an der ein vergnügter und
hellwacher Verstand zerrt. Die Abschlußtage der Serie von Veranstaltungen war für mich
von einer besonderen Stunde gekrönt.
Künstlerin Eva Ursprung (unten links) hatte den
afrikanischen Philosophen Frank Ugiomoh zu unserer Session gebracht. Welche räumliche
Distanz, die er überwunden hat. Und welcher Kontrast der Lebensumstände.
Unsere Lebensgeschichten könnten nicht unterschiedlicher
sein. Dennoch erlaubt und bietet uns die jahrelange Befassung mit Kunst ansatzlos
Berührungspunkte, ein gemeinsam betretbares Bezugssystem, innerhalb dessen Verständigung
auf Anhieb gelingt und Konsens in vielen Dingen leicht wird. Mühelos.
Einmal mehr beweist sich am Beispiel der Kunst, daß ein
soziales System gemeinsamen Boden schafft, dessen Stabilität auf keine ethnischen oder
nationalen Kategorien angewiesen ist. Es ist dann eigentlich die Blockade von Mobilität
und Austausch, die Menschen und deren Kulturen beschädigt; nicht das Öffnen von Räumen
und Grenzen ...
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