2. September 2009 Es gibt
diese "aristokratische" Attitüde, als Künstler bloß mit der Kunst befaßt
sein zu wollen. Ich würde diese Möglichkeit vermutlich nicht ausschlagen, falls sie mir
jemand schenken möchte. Aber das sind bloß Träume von warmen Eislutschern.
Phantastereien.
Ich sehe in meinem Milieu nur wenige Tendenzen, daß die
Befassung mit Kunst als Profession verstanden würde, die alle üblichen, auch banalen
Implikationen eines gängigen Berufes hat. Denn die Emotionen sind Privatangelegenheit.
Und "Berufung" ist keine Kategorie der Kunst.
Vielleicht ist das unsere katholische Prägung, die selbst
unter Heiden das brennende Verlangen nach Besonderheit und nach einer Mission füttert.
Naja, egal. Das müssen sich Leute ohnehin nach eigenem Ermessen gestalten.
Wir gestalten auch gerade heftig. Christa Ecker-Eckhofen
(links) und Michaela Zingerle sind meine Kooperationspartnerinnen in einem komplexen
Vorhaben, bei dem wir uns vor allem darin einig sind, klarer herauszuarbeiten, was denn
eigentlich hier, in der sogenannten "Provinz", ein Kunstgeschehen sein könnte,
das zeitgemäßen Debatten über Kunst gewachsen ist.
Nachmittags diese auf "kunst ost" bezogene
Session (Die neue Schreibweise steht für einen völlig neuen Abschnitt), abends ein paar
ernste Worte mit Mirjana Selakov. (Sie hat hat in Graz eben "real presence" mit Kunst aus
Serbien realisiert.)
Uns alle verbindet die Neigung, eine eher unromantische
Vorstellung von Kunstgeschehen zu verfolgen. Es ist ein aufregendes Metier und eines der
Felder, in dem nationalistische Konzepte ebenso verläßlich wie offensichtlich zu
Mißerfolgen führen.
Das schreibe ich leicht so hin. Vielleicht auch, weil WIR
derlei schon hinter uns haben. Daß Menschen sich als Volk verstehen und
Eigenstaatlichkeit fordern. Wie blutig das jeweils verläuft, ist eine der
Haupt-Ereignislinien des gesamten 20. Jahrhunderts.
Der Botanic Garden in Belfast hat eine Besonderheit, die
mir nicht aufgefallen wäre. Ein Ire hat es mir erzählt. Dahinter befänden sich
britische Kasernen. "Ist dir noch nicht aufgefallen, wie viele gut trainierte,
kräftige Burschen bei uns herumlaufen?" Miliz, Agenten, Wachpersonal, so hörte
ich.
Der Aufkleber "Gaeilge" benennt eine der
gälischen, nämlich die irische Sprache. Will und muß jedes Volk auch ein Staatsvolk
sein? Wieso müssen oder sollen sich Ethnos und Nation decken?
Das mag einem als offene Fragestellung einleuchten, wo
Protestanten und Katholiken sich Jahrzehnte lang in Beine und Köpfe geschossen haben, wo
diese Situation noch überdreht wurde, weil dann die britische Staatsgewalt mit aller
Macht in den Konflikt eingriff. Ein verstörendes Quälen und Morden.
Aber diese Fragen sind auch bei uns, in diesem wohl
geordneten Österreich, vakant und unterm Teppich. Selbst Menschen in politischen
Funktionen bleiben mir konkrete Antworten schuldig, wenn ich sie nach diesen
Zusammenhängen frage.
Diese Ratlosigkeit Funktionstragender ist eine Schande,
wenn die Frage "Was ist eine Nation?" ansteht. Genau diese
Ratlosigkeit, vielleicht sollte es heißen: dieser Mangel an Bildung, hält den Raum für
deutschtümelnde Dummheiten offen, für deutschnationale Deutungen. Da besteht also
erheblicher Klärungsbedarf.
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