26. Juni 2009 Nein, ich
schaffe es nicht, mir diese Dinge jeden Tag heranzuholen. Es ist unerträglich. Allein das
Video, auf das ich gestern gelinkt habe, ist
derart übel, daß mir für Stunden etwas wie ein Schatten auf all meinen Befindlichkeiten
hockt.
Da war es der Mann, von Polizisten verprügelt, gequält,
und -- vielleicht das Furchterregendeste --- anschließend in den Kofferraum eines Autos
versenkt. Denn das besagt: Nun ist kein Ende der Qualen abzusehen.
Noch wesentlich schrecklicher zu sehen:
Die Augen der sterbenden Neda Agha-Soltan: [link] Das kleine
Video ist auf unzähligen Servern verfügbar. Deutlicher kann man der Tyrannis nicht
begegnen: Eine beliebig abgeschossene Kugel trifft irgendjemanden in die
Brust.
Und das hätte alles nichts mit uns zu tun?
Was für ein Irrtum!
Ich habe ja -- im Gegensatz zu den Leuten im Iran -- die
Wahl, das Bedrückende auch wegzuschieben, mich mit anderen Dingen zu befassen, mich
abzulenken. Zum Beispiel mit der Beute aus meinem Dasein als Automobil-Paparazzo.
Diesen prächtig aufgestellten "Ovali" hab ich
kürzlich im Zentrum von Gleisdorf erwischt. Er wird so genannt, weil diese recht frühe
Version noch das kleine, ovale Heckfenster hat. Damit wurde 1953 das durch einen Steg
geteilte Heckfenster abgelöst, dem der "VW Typ 1" den Spitznamen
"Brezel" verdankte. (Die kleine "Nase" von Nummerntafelbeleuchung ist
auch ein ganz markantes Stilelement.)
Und schon ist das Thema Tyrannis wieder da. Denn
dieses Auto ist das Produkt eines ungetrübten Einvernehmens zwischen Adolf Hitler und
Ferdinand Porsche. Und zwar so sehr, daß sogar noch ein handschriftliches
"Anforderungsprofil" Hitlers für den "Käfer" erhalten ist. Der
"KdF"-Wagen war überdies ein groß angelegter Betrug an der Bevölkerung, an
jenen, die für dieses Auto über Jahre eingezahlt hatten, es aber nie erhielten, weil
Hitler das Geld in die Rüstung steckte. (Ein Betrüger, Räuber und Mörder in so vielem,
dessen Ideologie immer noch hochgehalten wird.)
Unsere Welt zu betrachten bedeutet also, ein Vexierbild zu
betrachten. Jede leichte Bewegung des Blickwinkels zeigt uns Verborgenes, Unerwünschtes,
Unerfreuliches. Kippen und belassen oder bewegen?
Das Pendeln zwischen Ästhetik und Anästhesie. Oder doch
lieber das Verbleiben auf einer der möglichen zwei Seiten? (Nur ein Denkmodell, denn so
simpel ist unsere Welt natürlich nicht.) Wie hier schon angedeutet, ich ertrage es nicht,
mich permanent mit den erschütternden Seiten dieser Welt zu befassen. Dagegen wäre ein
ständiges Wegschauen katastrophal, weil dann jene, die überwältigt werden, auf
überhaupt nichts hoffen dürften.
Ästhetik und Anästhesie
Was hat das mit einander zu tun? Das Wort "Ästhetik"
stammt vom griechischen "aísthesis" und bedeutet "Wahrnehmung".
Dessen Gegenteil ist "an-aísthesis", die "Nicht-Ästhetik",
also die "Anästhesie"; volkstümlich: "Betäubung". (Ich
denke, das muß nun nicht weiter erklärt werden ...)
Apropos! Das Wechselspiel zwischen Ästhetik und
Anästhesie mag auch in der Lebensleidenschaft von Herbert Hoffmann eine erhebliche Rolle
spielen. Der exzellente Photograph hat seinen speziellen Ruf in einer internationalen
Tattoo-Szene, wo er als Legende gilt. Ich hatte im vergangenen Sommer eine berührende
Plauderei mit ihm, wovon nun drei Video-Miniaturen online sind: [link]
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