15. Februar 2009

Die Nachricht besagte: "Usli u Srbiju!" Spät nachts war mein Mädchen in Serbien angekommen. Ich bin mit Weißburgunder und Bette Davis hier geblieben, dennoch oder gerade deshalb etwas schwermütig.

log1306a.jpg (9594 Byte)

Dann schickt mir noch Künstler Walter Köstenbauer die "Gothart"-Version von "Jovano Jovanke", die ich bisher nicht kannte, die ich nun für eine sehr schönen unter den wenigstens 20 mir bekannten Versionen halte. Leider ist sie im Web nicht zu finden.

Unter den zeitgemäßen Fassungen, die mehr Abstand von traditioneller Musik halten, gefällt mir die Version des Mazedoniers Lambe Alabakovski sehr gut: [link] Etwas theatralisch kommen dagegen die "17 Hippies" mit dieser Liebesgeschichte: [link] Ich habe auch türkische Versionen gehört, es gibt Klezmer-Groove, das Lied scheint enorm populär zu sein.

Ich rette mich manchmal in die Emotionen, welche an solche Lieder gebunden sind, besser: IN solchen Lieder gebunden sind, wenn ich jene Emotionen schwer ertrage, die an manche Motive meiner Arbeit gebunden sind. Es ist schon so, daß ich manchmal weinend über den Blättern sitze, wenn ich mich einer Themenlinie entlang abarbeite, wenn ich mich in diese Stoffe hineinarbeite, denn nur dort, nur von dort aus, aus einem Inneren, läßt sich diese Decke aufbrechen, die Decke des Schweigens und der Scham, um aufzufinden, was uns alle unleugbar verbindet.

Das klingt kryptisch? Klar. Künstler Walter Kratner hat gerade seinen Beitrag für unser "next code: break" skizziert. Eine wunderschöne Konzeptarbeit, gestützt auf ein Zitat, das mich umgehauen hat:

>>Liebeserklärung der Helferin an den Mörder aus Notwehr: "Ich will gern bei dir sein, ich denke, dass man schrecklich einsam sein muss neben einem Körper, den man umgebracht hat. Ich denke, dass es mein Leben groß macht, wenn ich diejenige bin, die deine Einsamkeit ausfüllt."<< [link]

Es ist diese bittere Einsamkeit der Überwältigten, an der ich nicht vorbei kann. Meine Schlüsse aus allem, was ich erfahren habe, besagen: Wir müssen den Mördern und Totschlägern, den Folterern und allen, die sich dabei abgewandt haben, die Stirne bieten; nicht nur prospektiv, auch retrospektiv.

Wir müssen die Täter beschämen, indem wir das Schweigen ausschlagen und indem wir das zurückweisen, was sie ihren Opfern in Worten und Taten zugeschrieben haben: "Du bist keiner von uns, nicht einmal ein Mensch!" Keine dieser Botschaften darf unwidersprochen bleiben. Keine einzelne und einzige. Jede muß widerrufen werden.

log1306b.jpg (17984 Byte)

Zum Beispiel: 13. Juli 1995, nachmittags, rund um 16:00 Uhr. Ramo Osmanovic war von einer serbischen Soldateska gefaßt worden, während sein Sohn Nermin jenseits von Srebrenica in die Wälder hatte entkommen können, um sein Leben zu retten. Also zwangen die Bewaffneten Ramo, seinen Sohn zu sich zu rufen. Saliha Osmanovic hat weder ihren Mann noch ihren Sohn je wiedergesehen.

Ich habe einen niederländischen Soldaten, einen Angehörigen jener Einheit, welche die Muslime von Srebrenica nicht hatten schützen können, über diese Menschen sagen gehört:

"Manchmal hatte ich den Eindruck, ich verstehe ihre Worte, aber nicht ihre Gefühle."

Diese Dinge sind nicht nur Ratko Mladic und seiner Soldateska anzulasten, denn die ganze Welt hat zugesehen. Wäre in einer Fußnote zu notieren: Wir auch. Auch wir haben zugesehen. Also was nun? Es ist völlig egal, wann die Revision enden könnte, denn unsere Leute und andere haben allein während der letzten 70 Jahre so unendlich viele unter die Erde gebracht. Aber angefangen sollte diese Revision längst sein. Jedem "Du bist keiner von uns, nicht einmal ein Mensch!" muß widersprochren werden.


[kontakt] [reset] [krusche]

7•09