2. September 2008
Würden sie von diesem Mann ein Auto kaufen? Was wäre ihre
Reakrion, falls ihn ihre Tochter sonntags zum Kaffee brächte, um ihnen nach einem
Weilchen zu sagen: Wir heiraten? Hehe! Fangfragen. Ich weiß. Obwohl ich sowas
schon erlebt habe. Daß ich mit einem Mann auf dem Gleisdorfer Hauptplatz beim Kaffee
saß, sich seine Tochter zu uns gesellte, um ihm zu sagen: Ich heirate nächste
Woche.
Aber das ist nicht die Geschichte, die ich erzählen
wollte. Es war kürzlich auf der Gleisdorfer Tattoo-Convention, wo
ich Gelegenheit hatte, einmal aus der Nähe zu sehen, was mein Sohn, oben links im Bild,
in seiner Freizeit gerne treibt. Dazu gehört offenbar forciertes und kollektives
Schädelbeuteln. (Der Begriff Headbangersscheint allerdings aus
der Mode zu sein.)
Man fühlt sich als Vater recht bewegt, wenn das eigene
Kind sich für Befindlichkeiten wie outrage erwärmt. So heißt die Band, der
dieser Autoverkäufer in bester körperlicher Kondition vorsteht. Auf der Website wird man mit "Welcome To
Hell" begrüßt. (Das Wort "outrage" steht für einen ganzen Katalog übler
Taten.)
Halt! Stereotypen-Alarm. Mein Auto, das eine ziemliche
Grammel ist, habe ich von einer blassen, zarten Kärntnerin gekauft, Typ BWL-Studentin.
Zurück zum Musikthema. Gestern legte mir mein Sohn einen Zettel auf den Tisch. Der darauf
vermerkte Link offeriert, wenn ich es richtig verstanden hab, den State of the Art auf dem
Screamer-Sektor: BMTH" ("Bring me the Horizon")
Da singt einer Pray For Plague.
(Sehr beunruhigend!) Ich fragte: Und wie stellt man es an, daß es einem bei diesem
Gesangsstil nicht das Frühstück aus dem Gesicht haut? (Väterlicher Pragmatismus.)
Das geht gar nicht, erfuhr ich, es gehört dazu, auf der Bühne mehrfach zu kotzen.
Im Ernst? Klar. Ich übe das schon. Was? Auf der Bühne
kotzen? Das auch.
Oh Zeiten, oh Sitten! Haben Jimi Hendrix oder Janis Joplin
einst ebenfalls gekotzt? Mit Sicherheit. Wenn auch nicht unbedingt auf der Bühne. Und
heute höre ich die Joplin als Hintergrundmusik im Baumarkt. Was für ein Fiasko! Ob
das mit deiner Metal-Music auch so sein wird? fragte ich meinen Sohn grinsend.
Was? Daß wir sie in 30 Jahren als Hintergrundmusik im Supermarkt hören
werden. Kann er sich nicht vorstellen. Konnte ich mir einst bei Janis Joplin auch
nicht vorstellen. Hält er aber für eine lustige Vorstellung.
Vielleicht gelingt es uns ja ... ach was! Ich fange an,
romantisch über die Welt und meine Generation zu denken. Wir machen uns alles nutzbar,
richten es uns zurecht. Heuchelei ist Standard, Lüge nicht ausgeschlossen. Ich merke, die
Teenies haben dafür noch eine sehr unbestechliche Wahrnehmung. Mutet man ihnen Heuchelei
zu, bürdet man ihnen eine Ungerechtigkeit auf, kann man es auf ihren Gesichtern sofort
lesen.
Ich hab das bunte Volk auf der Convention von Donnerstag
Abend bis Sonntag Mittag erlebt. Keine einzige Alkoholleiche. Keine Stänkerei, kein
Raufhandel. Ich hab mit den Security-Leuten geplaudert. Kein einziger Vorfall, der zur
Debatte stünde. Und das bei etwa fünf- bis siebentausend Leuten, die in jenen Tagen hier
in Bewegung waren. An diesen Standard muß ein landläufiges Feuerwehrfest oder etwa der
Gleisdorfer Kirta erst einmal herankommen. Aber würden sie von diesem Mann
ein Auto kaufen?
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