30. August 2008

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Über die Teezeremonie des Targi wurde erzählt, es werde drei unterschiedliche Arten des Aufgusses geben. Der Tee vom ersten Aufguß werde bitter wie das Leben schmecken, der zweite süß wie die Liebe, der dritte mild wie der Tod.

Die Dokumentation unseres letzten Abends im Rahmen der "regionale 08" ist HIER im Web zu finden. Vor der von Alhousseini Ibra anmutig vollzogenen Teezubereitung in mehreren Gängen war ein breiter Themenbogen skizziert, zu dem eine Serie von Fragen und Überlegungen zur Debatte standen.

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Die Vermittlung von Gegenwartskunst im "ländlichen Raum". Die Phantasmen vom "städtischen Publikum", als wäre nicht auch dort eine Mehrzahl der Menschen in Ratlosigkeit, weil weitgehend ohne Erfahrung, was die Befassung mit diesen Kunstformen angeht. Das Augenmerk auf Stereotypen und populäre Geschichtsklischees, vor allem im Blick nach Osten, der natürlich auch einem Block in den Süden gleichkommt.

Denn überall dort, "drüben" wie "drunten" sind jene, die nicht sind wie wir. Was immer dieses "Wir" bedeuten mag. Die "regionale 08" ist ein Angelpunkt für solche Debatten. Was wollte die Landespolitik? Natürlich auch im Kontrast zu regionaler und lokaler Politik. Was will ein erfahrenes Publikum mit konkreten Ansprüchen gegenüber einer breiteren Bevölkerung? Was hat all das, als ein steirisches Ereignis, dann aber mit der Welt zu tun?

Zum Beispiel damit, daß die Tuareg in Afrika erheblichen Repressionen  von Regierungen ausgesetzt sind; wie überhaupt die "Hauslosen", also Nomaden, offenbar rund um die Welt aus ihrer angestammten Kultur gerissen werden sollen. Verweist das nicht auf die Roma und Sinti in Europa? Werden nicht gerade in Italien umfassende Erhebungen und "erkennungsdienstliche Behandlungen" an Gipsy-People durchgeführt?

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Es war ein Abend der Fragen, nicht der Antworten. Woher sollten auch Antworten kommen, da wir gerade erst in kleinen Kreisen begonnen haben, nach relevanten und treffenden Fragen zu suchen? Und dann höre ich einen Besucher zur Videominiatur des Auftaktes sagen: Aber was weiß ich jetzt über den Künstler Eisenberger? (Oben: Eisenberger im Gespräch mit Kunsthistorikerin Mirjana Selakov.)

Als wäre solches Geschehen wie ein Auskunftsbüro angelegt. Zur Erbauung, zum Wissensgewinn, um kleine Perlen für die private Schmucksammlung situierter Menschen zu erbringen. Nein! Dieser Teil des Kunstbetriebes, Echo der Gründerzeit, ist abgedeckt, wird bedient, hat seine Angebote anderwärtig. Das ist nicht mein Geschäft.

Aber! Künstlerische Praxis und die Befassung mit ihren Ergebnissen, auch relevante Fragen zählen zu Ergebnissen, all das als ein Ausdruck von kultureller und politischer Partizipation, ist eine grundlegende Variante, vom Untertan zum Bürger zu werden. Denn das, Partizipation am öffentlichen, am politischen Leben, ist eines der Hauptereignisse von Demokratie.

An diesem Abend haben wir das exemplarisch eingelöst. Erstens in den Debatten, die frei zugänglich waren und sich konkreten Themen der Region wie der Welt gewidmet haben. Zweitens, indem wir dann vor das Haus gegangen sind, um auf dem Gehsteig, im öffentlichen Raum, die Teezeremonie zu erleben.

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Nein, all das ist keineswegs, vor allem auch in diesem Zusammenhang, eine selbstverständliche Angelegenheit. Die Straßenverkehrsordnung ist nur eines der Reglements, wonach dieser Teil des Abends nicht zulässig war, da er ohne formelle Genehmigung sich so ereignet hat.

Ich habe kürzlich im Log von "next code" den Kunsthistoriker Werner Fenz zitiert, als er in Gleisdorf eine Installation vorstellte:
>>Fenz ist der Ansicht, im öffentlichen Raum herrsche zu weitgehendes Reglement, er sei stark standardisiert, was uns meist gar nicht mehr bewußt werde.<< [Quelle]

Partizipation am öffentlichen, am politischen Leben. Leibliche Anwesenheit im öffentlichen Raum. Öffentliche Diskurse. Wenn wir nicht im Auge behalten, daß stets neu zu klären wäre, was das in der Praxis bedeutet, wird die Enge zunehmen.

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Künstler Walter Kratner macht in Weiz gerade das Booklet für "next code: exit", unseren Beitrag zum heurigen Festival "steirischer herbst", startklar. Zu unserem Programm gehört die serbische Gruppe "Led Art", die sich in den Kriegsjahren offen gegen das Regime Milosevic gestellt hat. In dieser Grafik bezieht sich "Led Art" auf das Tor zum Konzentrationslager Auschwitz, von dem diese Aufschrift stammt.

Das Motiv ist an Zynismus unüberbietbar. Denn der ganze Nazifaschismus hat sich ja nicht durch "ehrliche Arbeit" gehalten, sondern durch das notorische Berauben von Millionen von Menschen und durch die Verwertung von Arbeitssklaven.

Aber das Motto ist sehr anregend, wenn man den Satz wendet: "Freiheit macht Arbeit".

Das bedeutet eben auch, was mir in der künstlerischen Praxis grundlegend erscheint: Das Vorgefundene nicht als gegeben betrachten. Was verlangt, sich nicht mit Antworten einzurichten, sondern weiter relevante Fragen zu suchen ...


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