29. August 2008 next code: divan
Heute Abend werden wir eine
runde Session absolvieren. Die AUCH davon handelt: Jede Entwicklung braucht ein reges
geistiges Klima. Dazu gehört, daß inspirierte Menschen in öffentliche Diskurse gehen
und einen offenen Meinungsaustausch pflegen.
Ost-West-Passage. Die Weltpolitik haut uns
dieses Thema mit Ausdauer um die Ohren. Ich habe gestern jene Video-Miniatur
fertiggestellt, die einige Motive liefert, wie sowas in der Praxis gehen kann. Dazu bedarf
es der realen Begegnungen. Anderes spielt sich in großer Distanz ab.
Worauf ich eben angespielt habe? Na, auf
Rußland und Georgien.
Oh, wie sehr wir uns in Europa nun wieder
einmal um die Demokratie sorgen. Vor allem um die in Rußland und im Kaukasus. Da bin ich
jetzt aber recht froh, daß sich jemand sorgt. Wir wollen also Rußland auf seinen Platz
weisen (auf welchen?) und für alle Fälle auch gleich belehren.
Vor allem die Idee von Nato-Stützpunkten im
Kaukasus müßten doch allgemein begrüßt werden, die Stationierung von Raketen und
Überwachungssystemen in Polen und Tschechien ebenso. Denn ... ja wer bedroht uns denn
eigentlich? China? Schreckensbilder meiner Kindertage. "Da Ruß, da kummt!"
Also: Der Russe kommt. Und eine Flut von Chinesen auch. Die sind zwar allesamt nie
gekommen, die letzten Jahrhunderte nie, doch wer weiß?
Und vor allem: Die Demokratie! Das hatten
kürzlich Frankreichs Paradephilosophen warnend ausposaunt. Europa solle im Kaukasus die
Demokratie stützen, verteidigen. Bloß: Welche Demokratie? Jene von Sarkozy, der die
Banlieues mit den Dampfstrahlern von dessen sozial marginalisierten Jugendlichen reinigen
lassen wollte? Das ist doch der Sarkozy, welcher als Staatspräsident seine Kraft vor
allem darauf verwendet hat, ein Medienereignis zu sein, ein Klatschpressen-König.
Ach, dann könnten wir den Russen und
Kaukasiern doch jene Demokratie predigen, die uns Italiens Berlusconi vorhupft.
Staatspräsident und Medienzar ist doch eine vorzügliche Kombination. (Freilich, mit dem
Zarentum kennen sich die Russen selbst gut aus.) Herrjeh!
Was raten wir den Russen also? Die Verbindung von hoher Politik und Boulevardpresse ist in
Österreich übrigens auch auf geebnetem Wege. (Das werden Franzosen und Italiener an uns
zu schätzen wissen.) |
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Allerdings, DAS sollten wir den
Russen schon klar machen: Nehmt gefälligst eure Superreichen an die Kandare und fördert
eine stabile Mittelschicht. Erstens geht zeitgemäße Demokratie nicht ohne stabile
Mittelschicht, zweitens lassen sich die harten Kontraste zwischen viiiiielen sehr Armen
und gaaaaanz wenigen sehr Reichen sonst nicht abfedern.
Ach so, ja, ähem, räusper,
hüstel, Mittelschicht! Bei uns haben Sozialdemokraten und Christlichsoziale längst
gemeinsames Terrain betreten. Beide Parteispitzen wetteifern mit den radikal rechten
Parteien um die Aufmerksamkeit eines Pöbels, bei dem immer "Die Anderen" schuld
sind, vorzugsweise "Ausländer".
Solches Geplänkel an der Populismus-Front
soll vielleicht übertönen, daß der Mittelstand schon hörbar knirscht, während reiche
Leute, nun ja, eben dieses Land zu einem sehr reichen Land machen. (Hahaha!)
Dabei geht inzwischen jener Mittelstand
längst merklich in die Knie, weil die Finanzpolitik Österreichs Superreiche eindeutig
begünstigt und Steuerflucht nicht gerade blockiert. Irgendwer muß die verbleibenden
Soziallasten schließlich tragen. (Quellen: "Der Standard")
Übrigens! Da wären noch Fremdenhaß und Antisemitismus.
Supa! Jetzt haben wir doch etwas mit Rußland gemeinsam. Na, sehen Sie! Es sollte also mit
der Verständigung wirklich klappen. Wenn die bloß nicht so stur wären, diese Russen.
Und so empfindlich, so reizbar. |
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Idee! Bei all den prächtigen
Berührungspunkten, Resonanzen, könnten wir doch gemeinsam in die NATO gehen; oder? Wäre
das nicht ein Hauptspaß? Rußland und Amerika als Verbündete, wir Österreicher mitten
drin, nichts und niemand könnte uns was. Alle wären in Sicherheit. Amerika macht das eh
ganz gut ...
Sollen sie nun freilich Bush rausschmeißen,
um Condie Rice wäre es allerdings schade, sagt auch unsere Benita Ferrero-Waldner, und
Barack Obambi ... Hoppala!, nicht so geringschätzig, Herr Krusche. Aber Südossetien, wer
zur Hölle weiß schon, wo das liegt?
In meiner Stadt kann mir unter Garantie kaum
jemand so ohne weiteres auf der Landkarte zeigen, wo Georgien liegt. (Übrigens! Ich habe
als Teenager sehr gerne grusinischen Tee in unscheinbaren Blechdosen gekauft.)
Also was nun? Niemand da, der die Welt retten
möchte? Blöd! Dann muß ich mein abgehangenes Mantra weiter singen: Sorgen wir doch
bitte für stabile Verhältnisse auf der Linie Wien - Beograd - Istanbul. Denn falls der
Kaukasus hochgeht, fliegt uns auch so genug um die Ohren.
Aber vielleicht könnten wir einiges dazu
beitragen, daß der Kaukasus nicht hochgeht. Vielleicht gibt es Ideen für eine
"europäische Politik", durch die Rußland sich zu stabileren Positionen
ermutigt sieht. Irgendwelche Vorschläge?
[Wir
Kinder des Kalten Krieges]
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