5. Juli 2008

Wenn in meiner Gegend die Feuerwehrsirenen in erhöhter Abfolge losgehen, kommt das eher nicht durch eine besondere Brandanfälligkeit oststeirischer Häuser. Es hat meist mit der naheliegenden Autobahn zu tun. Der Reiseverkehr belebt manche meiner Nächte.

Ich beklage mich nicht. Urbanes Leben mit all den vertrauten Annehmlichkeiten bedingt einen kräftigen Lärmpegel. Ich finde es zwar etwas erstaunlich, daß man die Feuerwehrleute in Zeiten umfassender Telekommunikation immer noch per Sirene zusammenruft. Aber viel rätselhafter bleibt mir das extensive Kirchenglockengeläute zum Auftakt von Begräbnissen. (Da kann es ja wahrlich niemand mehr eilig haben.)

Egal! Reiseverkehr. Das weist auch auf den Schulschluß hin, der mir gestern eine denkwürdige familiäre Situation bescherte. Mein Sohn hat nicht bloß die erwarteten fünf Gegenstände verfleckt, sondern ist im Finish auf sieben Nichtgenügend gekommen. Verdammt, dachte ich, das ist Familienrekord! Die Mutter des Burschen klärte mich aber auf, daß ihre Zwillingsschwester von einem ihrer Söhne acht Fleck hingelegt bekommen hat.

Mist! Naja, innerhalb MEINER Ursprungsfamilie ist die Sieben auf jeden Fall Rekord. Und eine blöde Situation. Wäre da nämlich bloß EIN Nichtgenügend, eventuell ein zweites, könnte ich mir ganz beruhigt Sorgen um den aktuellen Status von Fleiß und Intelligenz meines Sohnes machen. Aber sieben Fleck, das ist kein schlechter Schulerfolg, das ist eine Vollbremsung, welche den Eltern die Frage aufbürdet, WARUM der Kerl so voll bremst. Das liegt nämlich eindeutig außerhalb gängiger Fragen nach Fleiß- und Intelligenz.

Man ahnt, die Sache regt mich nicht gar so sehr auf. Erstens aus den genannten Gründen, da Teenies ja relativ wenig Möglichkeiten haben, Erwachsenen gegenüber ihre Einwände durchzusetzen, wenn da etwas anliegt. Zweitens aus Gründen meines persönlichen Referenzsystems, was bedeutet: Ich habe im Laufe meines Lebens einen passablen Katalog zusammengetragen, WAS „eine Situation“ sei; anders ausgedrückt: Was ein Fiasko sei. DAS ist definitiv nicht sehr weit oben gereiht.

Meine Faustregel besagt:
Was keinen Arzt und keinen Polizisten zum Einsatz bringt, kann kein Fiasko sein. Zugegeben, ich finde unter pädagogischem Fachpersonal keinen ausreichenden Konsens über dieses Referenzsystem. Aber wenn ich sehe, wie es dem Teenie die Kette aushängt, da ihn seine Mutter mit „Mäuschen“ anspricht, um dann ein paar essentielle Fragen zum Leben eines Teenagers zu stellen, ahne ich: Es wird langsam Zeit für ein paar vertrauensbildende Maßnahmen.

Nein, damit Sie mich recht verstehen, ich mache mir sehr viel weniger Sorgen über MEIN Vertrauen einem Youngster gegenüber, ich mache mir Sorgen, was uns Erwachsenen gelingen mag, um das Vertrauen der Youngsters zu behalten.

Fußnote:
Wenn ich bloß bedenke, welches enorme Vermögen in Österreich für Nachhilfe, also für „außerschulisches Lernen“, aufgewandt wird, kann doch nur ein Agent der Blödheit davon ausgehen, daß mit uns Erwachsenen alles in Ordnung sei, während unsere Kinder leider etwas, ähem, räusper, schwierig sind.

Um es salopp zu formulieren:
Es wäre wieder einmal Zeit, unsere Verhältnisse in Ordnung zu bringen.


[kontakt] [reset] [krusche]

27•08