27. Juni 2008
Scheint eine Kamille zu sein. Frei von
Wachstumsproblemen. Im Winkel eines Holzhauses, das auf die in Lettland übliche Art
gebaut worden ist. Was ein wenig damit zu tun haben mag, daß der Hausherr Honorarkonsul
von Lettland ist.
Da waren wir nun zu Gast, auf dem Anwesen der
Familie Pölzer, um für weitere
Verläufe von "kunst
O.ST" einige Entscheidungen zu treffen. Verbunden mit der Erfahrung, daß es
manchen Menschen nicht gerade geheuer ist, wenn in so einer Runde zu manchen Punkten
Dissens herrscht, der sich offenbar nicht auflösen läßt.
Muß das unserer Kultur angelastet werden?
Daß nämlich diese Situation den Makel der "Fehlerhaftigkeit" trägt. Ist es
dagegen nicht ganz naheliegend und unausweichlich, daß es in einer heterogenen Gruppe so
manches an Dissens geben wird und geben muß?
Wo steht nun geschrieben, daß nur im Konsens
vorgegangen werden kann? Warum wirkt hinter all dem so stark das fadenscheinige Dogma,
"Wahrheit" sei bloß dort, wo die Widersprüche eliminiert werden konnten?
Das dürfte gerade für eine Runde
Kunstschaffender nicht der Punkt sein, an dem ein Vorhaben stecken bliebe. Ist es auch im
Falle von "kunst O.ST" offenbar nicht.
Ein Teilbereich dieser Vorhaben, der gerade in
Richtung Tragkraft entwickelt wird, ist dem Motiv der "Micronarratives"
gewidmet, zu dem nun die Projekt-Website online gestellt hab: [link] Ein Thema, das
Kunsthistorikern Mirjana Selakov
forciert hat.
Am Tag davor hatte Peter Pakesch das Grazer
"Medienkunstlabor" mit
einer Performance des Ukrainers Nazar Hontschar neu eröffnet. Hontschar ist momentan
"Artist In Residence" in Graz.
Mirjana Selakov, Kuratorin dieser Einrichtung,
pendelt zwischen den Bedingungen und Abläufen einerseits so eines etablierten Betriebes,
andrerseits dieser "Basisprozesse", wie wir sie hier in der Oststeiermark voran
bringen. Erhebliche Kontraste!
Bei dieser Veranstaltung hatte ich eine sehr
anregende Plauderei mit Max Aufischer (Cultural
City Network), die, wenn ich von ihm eine Freigabe erhalte, als Video-Miniatur
verfügbar sein wird. Max räsonierte über einen Mangel an Debatten auf dem Kunstfeld,
wozu er feststellte: "Es kriegen alle diesen höflichen, sakralen, mitfühlenden,
verherrlichenden Tonfall."
Es scheint auch er, wie ich es gerne
feststelle, auf dem Kunstfeld wachsende soziokulturelle Kuschelecken zu sehen. "Und
deshalb traut sich keiner mehr ernsthaft diskutieren." Weshalb wir zum Schluß kamen,
dieser Sache sei nachzugehen. Mit der rhetorischen Frage überschrieben: "Der
Künstler als Sofa?"
Bequem liegen, bequem plaudern, bequem die
Welt erahnen, da wird noch so manches zu klären sein. Unter anderem, so launig spielt das
Schicksal, da bei dem gestrigen Treffen von einem inhaftierten Tierschützer und einer
zerschlagenen Tierschutzorganisation die Rede war, erweitert um die Idee, Kunstschaffende
könnten mit künstlerischem Tun a) etwas gegen "polizeistaatliche Methoden"
erreichen und b) "Aufklärungsarbeit" leisten.
Nun sind wir ja nicht in Chile, wo es als
normal erachtet wird, daß Künstler politisch bewußt, der Welt zugewandt, sich auch
politisch exponieren; zum Beispiel im Sinne von: Jenen eine Stimme geben, die selbst nicht
sprechen können.
Man denke an Pablo Neruda. Oder, weniger
prominent, Osvaldo Puccio, den ich einmal zu einer Diskussionsveranstaltung nach Gleisdorf
eingeladen hatte, der in der Moneda gewesen war, als Pinochets Soldaten kamen, um Allende
zu holen.
Nein, in Österreich muß man da schon ein
Weilchen zurückblättern, etwa bis zu Theodor Kramer, um Kunstschaffende zu finden, die
sich auf solche Art kraftvoll exponieren. Was mag denn herauskommen, wenn nun, aus
eventuell gutem Anlaß, der Künstler, die Künstlerinnen genau NICHT als Sofa in der
Gegend herumstehen möchten? Ich bin neugierig ...
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