19. Mai 2008
Der Abend mit den aktuellen Positionen des "SPLITTERWERK" war von Debatten
über Architektur und Kunst getragen. Ein weiterer Erfahrungsschritt, wie wichtig
öffentliche Diskurse in teils öffentlichen Räumen sind. Gerade in der realen Begegnung
finden sich Anlässe, Gegensätze zu bearbeiten. Nicht vorrangig, um mögliche
Widersprüche oder Dissens zu eliminieren.
Gerade diese erste Session von "next space" hat
deutlich gemacht, daß auch im Kontrast, im Gegensatz, offenbar stets Punkte enthalten
sind, über die man Konsens findet. Das ist, was ich gerne die "Praxis des
Kontrastes" nenne. [Doku]
Architekt Mark Blaschitz hat auf einen äußerst
interessanten Aspekt des aktuellen Geschehens aufmerksam gemacht. Ihm sei aufgefallen,
daß Immobilienangebote in Gratisblättern während der letzten Jahre einen auffallenden
Qualitätsanstieg gezeigt hätten. Da wäre ein deutliches Mehr an "guten
Häusern" festzustellen.
Diesem Qualitätsgewinn im allgemeinen Bauen stünde aber
ein Absacken der Qualität in der Arbeit renommierter Einzelpersonen und Teams gegenüber.
Polemisch verkürzt: Jene, die sich für "Überdrüber-Architekten" hielten,
seien qualitativ beunruhigend abgerutscht.
Blaschitz: "Es werden schöne Renderings gemacht, es
wird alles gleich, die Kosten drücken, wir rattern in die 1960er rein." Architekt
Winfried Lechner meinte: "Wir erleiden heute, daß die Ästhetik des Gebauten nicht
von Architekten gemacht wird, sondern von den Medien."
Der Abend mündete in Übereinkunft, daß diese Debatte,
was nun Baukunst und was Baudienstleistung sei, höchst fällig ist.
Cut!
Flohmarkt in Gleisdorf. Da auch ein ganzer Stand mit
Gesticktem. Sinnsprüche und Losungen in ästhetischen Umsetzungen, die auf das 18. und
19. Jahrhundert verweisen. Eine Erinnerung an sozialgeschichliche Lagen, bei denen es für
Leute meiner Herkunft fast schon eine Sensation war, wenn man in die Situation kam, einen
eigenen Hausstand gründen zu können.
Hausstandgründung. Das war eine wesentliche Voraussetzung,
um heiraten zu können; keine Selbstverständlichkeit. Was auch daran erinnert, daß die
Grundausstattung "Trautes Heim, Glück allein" für einen großen Teil der
Menschen keineswegs Standard war. Also auch nicht die Ehe. Also auch nicht "Die
Familie" in der Version "Vater, Mutter, Kind".
Das Motiv und das Sticken haben ein aktuelles Echo in
unserem aktuellen Beitrag zum Festival "steirischer herbst" ... die "nove kuvarice"
von "Skart".
Cut!
Ich freu mich stets über Zuschriften und staune oft, was
mich erreicht. Ein "B. Klaus" schrieb mir gestern über seine Sorgen und daß
Hace Strache zu "richtigen" Annahmen und Aussagen gerüstet sei. Da stand zum
Beispiel:
>>ist Ihnen denn nicht bekannt, daß bereits 50%
aller Neugeborenen in Brüssel muslimische Kinder sind?!!!<<
Eine kuriose Nachricht. Welche Quelle wird da zitiert? Brüssel hat fast
150.000 Einwohner, für die "Region Brüssel Hauptstadt" wird etwas mehr als
eine Million genannt. Ist es also der Fall, ist es überhaupt plausibel anzunehmen, daß
in dieser Region die Hälfte aller geborenen Kinder muslimisch sind?
Bei den Alarmisten und den Vaterländischen wird eben gerne
dahinbehauptet, ohne daß die Quellen offengelegt würden. Dieses Raunen und Unterstellen
hat Tradition. Die völlig illusorische Vorstellung, irgend ein Land könne sich heute
nach außen Abschotten, sucht sich irrationale Legitimationen.
>>........Sie haben wahrscheinlich keine Kinder,
oder Herr Krusche?!<<
Das ist mutmaßlich keine Frage, sondern eine Annahme, die
besagt: Dir ist es wohl egal! Daß Europa moslemisch werden könnte ... wozu im Augenblick
die verfügbaren Zahlen und Fakten keine Grundlage bieten. Das sind bloß Gerüchte und
Ängste.
Mir ist auf jeden Fall NICHT egal, daß sowohl unser
Staatsgrundgesetz als auch die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" uns
Religionsfreiheit zusichert. [Quellen]
(Es ist mir vor allem auch als Vater nicht egal.)
Schreiben mir besorgte Menschen? Sollte ich mir um sie
Sorgen machen? Aber warum schreiben sie mir die üblichen Standard-Argumente, wie sie von
den Propheten des Alarmismus hergebetet werden, seit Nationalismus in Europa Schule
gemacht hat? Anders gefragt: Wenn diese Leute solche Angst haben, warum begnügen sie sich
mit Wissen aus unseriösen Quellen? Warum informieren sie sich nicht aus Quellen, die sie
auch nennen können? Und warum schreiben sie mir meist anonym? [Die Email]
[Wir
Kinder des Kalten Krieges]
P.S.:
In der "Kronen Zeitung" wird gewöhnlich "Das Nationale"
hochgehalten, wonach ein westliches Europa seine "orientalischen" Wurzeln zwar
nutzt, aber leugnet. Wenigstens im Bereich von Werbeeinschaltungen, wie hier in einem
Reiseangebot, kommt man diesen Zusammenhängen gelegentlich auf die Spur:
Paulus von Tarsos machte die Katholische
Kirche im heutigen Anatolien zu einer Weltreligion. Von dort aus wurde Europa missioniert.
(Vielleicht eben nicht zum letzten Mal.)
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